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ALGERIEN: TASSILI N‘AJJER - IMPRESSIONEN DER SAHARA

VON DR. HANS STEYRER

 
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Geländewagen-Expedition zur Oase Iherir, in den Tassili n´Ajjer Nationalpark (UNESCO-Welterbe) und zum Erg Admer

Noch einmal umdrehen im warmen Schlafsack. Der Wind, der am Abend noch am Zelt gerüttelt hat, ist irgendwann in der Nacht eingeschlafen, der Sonnenaufgang steht kurz bevor: Was für ein Erlebnis! Die Sandsteinformationen, in deren Schutz wir am Vorabend unser Lager in den Dünen eingerichtet haben, sind hunderte Millionen Jahre alt und haben das schon oft erlebt, aber für uns ist es ein besonderes, ein unvergessliches Erlebnis. Der Himmel, gerade noch tiefschwarz, wird von Osten her dunkelrot, schließlich strahlend rosa und plötzlich ist sie da – die Sonne, und erwärmt binnen Minuten die Luft, den Fels, den Sand und uns, die wir für ein paar Tage Gäste in dieser so anderen Welt sind.

Früher ein Garten Eden
Diese über weite Strecken wasserlose Welt aus Fels und Sand, so unwirtlich sie uns heute erscheint, war vor ein paar Tausend Jahren ein Garten Eden, bewohnt von Angehörigen zweier Kulturen, der Kiffian- und Tenerium-Kultur. Vor etwa 10.000 Jahren gab es Seen und ganzjährig wasserführende Flüsse, die einer reichen Fauna und Flora Heimat boten. Die Menschen dieser Zeit verewigten die Tiere – Gazellen Giraffen, Krokodile, Rinder und viele andere – ebenso wie Szenen des täglichen Lebens in faszinierenden Felszeichnungen und -ritzungen, die wir auf unseren Wanderungen und Fahrten bestaunen können. Sie fertigten auch Pfeil- und Speerspitzen aus Feuerstein und aufwändig verzierte Tonwaren, deren Fragmente wir immer wieder im Wüstensand finden können. Vor etwa 8000 Jahren wurde das Klima trockener und die Seen und Flüsse verschwanden für mehr als 1000 Jahre und mit ihnen die Menschen. Eine zweite Blüte menschlicher Kultur, die Tenerium-Kultur, begann vor 7000 Jahren, als das Klima wieder feuchter wurde und sich die Lebensbedingungen deutlich verbesserten. Tiere kehrten zurück und mit ihnen menschliche Zivilisation. Es waren Jäger, Fischer und Sammler, aber es gibt auch Hinweise auf das Domestizieren von Rindern, Ziegen und Schafen. Wir finden auch aus dieser Periode faszinierende Zeugnisse in Form von Reibschalen, in denen Getreide gemahlen wurde, Keramik, rasiermesserscharfen Pfeil- und Speerspitzen und kunstvollen Schmuckperlen aus Stein. Auch die Felszeichnungen lassen das Bild einer lebendigen und kreativen Kultur vor unseren Augen entstehen.

Heute Wüste
Die Sedimente der Seen aus dieser Zeit finden wir auf unserer Reise immer wieder in den Senken zwischen gewaltigen Dünenformationen, voll mit fossilen Süßwasserschnecken und selten auch mit Fossilien von Großsäugern – so haben wir 2024 bei einer der ersten Reisen in die Wüste Algeriens den Stoßzahn eines jungen Elefanten im Seeton gefunden. Aber auch diese paradiesische Zeit ging zu Ende: Vor 4500 Jahren wurde das Klima wieder trockener, bis schließlich die heutigen hochariden Bedingungen erreicht wurden. Die Menschen mussten sich zurückziehen, in einer letzten Phase konnten sie noch als nomadisierende Hirten überleben und haben uns auch aus dieser Phase Abbildungen von Pferden und Kamelen hinterlassen - bei weitem nicht so kunstvoll wie früher – und doch Illustrationen ihres Lebens, das zunehmend schwieriger wurde.

Am Lagerfeuer
Die Nachfahren jener Menschen sind heute unsere Führer, Fahrer und Köche auf unserer Reise durch die südliche Sahara und den Tassili n´Ajjer. Unser Fahrer, Abdel Kader, benannt nach dem berühmten Rebellenführer, der im 19. Jahrhundert die Berberstämme Algeriens im Kampf gegen die französische Kolonialmacht geeint hat, wohnt heute in einem Land, das niemals ein Staat sein wird. Ein Land, fast dreißigmal so groß wie Österreich, doch kaum besiedelt. Ein Reich für Nomaden. Bis heute hat dieses Land keinen offiziellen Namen. Seine Bewohner, die Touareg, nennen es Adawalat n´kel Tamaschek: „Die Erde jener, die Tamaschek sprechen“. Sozusagen ein Land aus Sprache, das seit vielen Jahrzehnten durch koloniale Grenzen parzelliert wurde und die Länder Mali, Niger und Algerien umfasst. Algerien hat seine Nomaden sesshaft gemacht oder es zumindest versucht. Die Karawanen von früher sind Lastwagen oder Pickups gewichen, die Geschäftsmodelle sind die gleichen geblieben: Handel mit Vieh und anderen Waren, Schmuggel und neuerdings – wenn auch nur in geringem Ausmaß – Tourismus.
Und so ist jeder Sonnenaufgang und Sonnenuntergang in der Wüste oder im Tassili n`Ajjer in einem Lager, das den Nomadenlagern früherer Zeiten gleicht, eine Reise für sich, wie eine Rückkehr in die Fantasie der Kindheit. Wir sitzen mit diesen Männern am Lagerfeuer, teilen mit ihnen das in der Glut gebackene Brot und die Wärme des Feuers. Die großen Gestalten in ihren Dschellabas und den Turbanen, die nur einen Sehschlitz freilassen und nur zum Essen und Trinken das Gesicht freigeben, sitzen schon seit Jahrhunderten so an ihren Lagerfeuern, vielleicht seit Jahrtausenden, die Kamele damals nicht weit weg von der Wärme. Denn nicht die glühende Sonne, sondern die kalte Nacht war der größte Feind der Tiere: Ein Kamel, das vor Kälte nicht richtig schlief, konnte die Strapazen der nächsten Etappe nicht überstehen.

Ästhetik der Ergs
Auch auf uns wartet nun am Ende eines Tages in der Wüste der Schlaf, warten die Zelte, die Wärme des Schlafsackes sowie Träume und Gedanken. Wie wird der morgige Tag sein, wie wird er beginnen? In der anfangs noch tiefstehenden Sonne werden die Dünen noch ihre tiefen Farben und ihre Körperlichkeit haben, sie aber rasch im blendendweißen, konturlosen Licht des Tages verlieren. Ein Schauspiel, das sich jeden Tag wiederholt und doch jeden Tag anders ist. Dabei sind Dünen eigentlich Stiefkinder der Sahara, gerade einmal 15% sind damit bedeckt, der Rest sind Hammadas (Steinwüsten) oder Serirs (Kieswüsten). Die Ordnung und Ästhetik der Ergs (Dünenfelder) kehrt allerdings das Wertbewusstsein um – die Steinwüsten erscheinen uns als das Trostlose, die Sandwüste als Elementarereignis der Natur: Sandmeere sind äolische Landschaften, die nur den Gesetzen des Windes und der Schwerkraft folgen und die eine lange Geschichte vom Ausgangsmaterial des Sandes – oft Jahrmilliarden alte Granite – und von Verwitterungs-, Auslese- und Umlagerungsprozessen erzählen. Die Wellen, in die der Sand der Ergs gelegt wird, lassen sich, anders als beim Wasser, wo Wellen eine äußerst vergängliche Gestalt haben, wahrnehmen, und zwar mit allen Sinnen. So zeitlos und ewig sie scheinen, sind sie in der Erdgeschichte ein ganz junges Phänomen und dazu ein flüchtiges.  
Flüchtig sind auch die Spuren im Sand, unsere und die der zahlreichen Tiere: Welche werden wir bei unserer morgendlichen Wanderung durch die Dünen oder durch die Felslabyrinthe finden, welche Formen werden uns begeistern, welche Gespräche werden wir führen, welche Ideen werden kommen, wird uns der nächste Tag genauso faszinieren wie die vorhergegangenen, wird er uns genauso verändern?

 
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