Buchstäblich einzigartige Landschaften umrahmen traditionell Han-chinesisch geprägte Provinzen und solche, in denen ethnische Minderheiten noch eine bedeutende Rolle spielen – das Ergebnis ist eine kulturelle Vielfalt, die auch architektonisch den Wechsel von Integration, Konflikt und Herrschaft widerspiegelt. Unsere Reise beginnt in zwei fast ausschließlich von Han-Chinesen bevölkerten Provinzen: Jiangxi und Hubei, beide am Yangzi gelegen und beide mit faszinierenden Zeugen der chinesischen Antike prunkend.
Der vergessene Kaiser
In Haihunhou, nördlich von Jiangxis Hauptstadt Nanchang, fand man 2011 völlig überraschend ein vollkommen unberührtes Herrschergrab, das ab 2015 ausgegraben und in kürzester Zeit im archäologiebesessenen China zu einer Mediensensation wurde, handelte es sich doch um das unglaublich gut erhaltene Grab von Liu He, der im Jahre 74 v. Chr. nur 27 Tage lang als Kaiser der Han-Dynastie regierte, danach aufgrund von angeblicher moralischer Inkompetenz von Thron entfernt und ins Exil nach Südchina geschickt wurde. Später weitestgehend vergessen, trat Liu He durch den Fund plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses, zeigten doch die unfassbar reichen und einmaligen Funde (vom konservierten Leichnam des Kaisers über kaiserliche Edikte und bisher unbekannte Texte bis hin zur ältesten bekannten Darstellung von Konfuzius) ein vollkommen anderes Bild als jenes, das in den üblichen Quellen geboten wird. Wie mittlerweile in China üblich, hat man am Fundort ein fantastisches Museum errichtet, welches den Besucher in den Bann der Vergangenheit zieht.
Am Yangzi
Nicht weit nördlich von Haihunhou liegt die wichtige Yangzi-Stadt Jiujiang mit dem Lushan, einer zum UNESCO-Welterbe zählenden Gebirgsregion, deren landschaftliche Schönheit schon früh entdeckt wurde. Ebenfalls am Yangzi liegen die Städte Jingzhou und Yichang. Jingzhou besticht durch seine gut erhaltene Altstadt mit einer der mächtigsten Stadtmauern Chinas, berühmten daoistischen Tempeln aus dem 14. und 15. Jahrhundert und einem großartigen Museum, denn die Region war einst das Zentrum des Staates Chu, des mächtigsten antiken Staates in Südchina. Das weiter westlich gelegene Yichang ist als Endpunkt der Yangzi-Schluchten bekannt. Wir nutzen sie als Ausgangspunkt zum Besuch des Dreischluchtendamms und für eine Fahrt durch die östlichste Yangzi-Schlucht. Aber auch ein Besuch im Freilichtmuseum von Zigui steht am Programm, denn was wenig bekannt ist: Im Zuge des Dammbaus haben die chinesischen Behörden zahlreiche Kulturdenkmäler und Bauwerke transloziert und in eigens dafür gegründete Freilichtmuseen gebracht: wahre Schatzhäuser, die dem Teilnehmer einer der üblichen Yangzi-Kreuzfahrten vorenthalten bleiben.
Im Westen Hunans
Man hat sie schon als schönste Landschaft der Welt bezeichnet, in Filmen verewigt und zum UNESCO-Welterbe erklärt: die bis zu 200 m hoch aufragenden Sandsteinsäulen in Zhangjiajie, die in einer geologisch hochinteressanten Region, die auch viel Karst aufweist, mit anderen Naturwundern konkurriert. Ein Beispiel dafür ist der Tianmenshan, ein Karstberg mit einem riesigen „Tor“. Wir nehmen uns Zeit zur Erkundung dieser Wunderwelt und kommen anschließend in die Region Xiangxi: Westhunan hat in chinesischen Ohren einen magischen Klang als wunderschöne Gebirgslandschaft mit alten Städten und Traditionen des Volkes der Miao, die in den Erzählungen von Shen Congwen und in Filmen wie „Die Stadt Hibiskus“ verewigt wurden. Ob die malerische Altstadt von Fenghuang mit ihren „Stelzenhäusern“, die zum Welterbe erklärten Reste der Tusi-Verwaltung von Laosicheng oder die „Große Mauer Südchinas“, die Region bietet enorm viel, was sich auch nicht ändert, wenn wir über die Grenze nach Guizhou kommen.
Das Land der Dong
Ökonomisch galt Guizhou schon immer als eine der ärmsten Provinzen Chinas. Touristisch aber ist sie reich - landschaftlich, kulturell als auch architektonisch, wie wir in Zhenyuan und seiner Umgebung sehen werden. Eine Bootsfahrt führt uns durch die Szenerien am Wuyang-Fluss, an dem auch die Qinglongdong liegt. „Die Höhlen des Grünen Drachen“ sind eines der schönsten daoistischen Heiligtümer Chinas in wunderbarer Lage. Von Zhenyuan aus geht es weiter nach Süden, wo wir einer weiteren bekannten Minderheit begegnen werden. Die Dong sind vor allem für ihre einzigartige Holzarchitektur bekannt, die sie den Besuchern in oft noch hervorragend erhaltenen Dörfern präsentieren.
Vom Li- zum Perlfluss
Der Konkurrenzkampf um den Titel der schönsten Landschaft Chinas ist hart und die Region um Guilin hat dabei meist gute Karten, denn die Karsthügel am Li- und am Yulong-Fluss zählen zu den emblematischsten Szenerien unseres Planeten. Guilin liegt in der Autonomen Region Guangxi, in der Minderheiten fast 40 % der Bevölkerung ausmachen, vor allem trifft man auf Chinas zweitgrößte ethnische Gruppe, die Zhuang. Diese sind auch sehr stark im äußersten Norden der Region vertreten, wo wir durch die Reisterrassen von Longji spazieren, vielleicht die berühmtesten ihrer Art. In Guilin unternehmen wir zwei Bootsfahrten – die bekannte am Li-Fluss und die intimere mit Bambusflößen am Yulong. Der Li ist ein Zubringer des Perlflusses, dem wir zum Schluss der Reise folgen werden – allerdings per Hochgeschwindigkeitsbahn nach Guangzhou (Kanton). Die Nummer 3 unter Chinas Städten und das wichtigste Zentrum Südchinas liegt in einer Region, die in absehbarer Zeit zum größten Ballungsraum der Welt aufsteigen wird. Die Metropole ist von einer enormen Dynamik geprägt. Wie in den übrigen Zentren des Landes liegt auch in Kanton Alt neben Neu, beeindrucken bedeutende historische Bauten mit einem Alter bis zu 1300 Jahren und koloniale Viertel neben einer Skyline, die keinen Vergleich mit Shanghai zu scheuen braucht. Unsere Auffahrt auf die Aussichtsplattform des Canton Tower auf 459 m wird dies eindrucksvoll zeigen.