Eine Reise von den Mayadörfern im Hochland von Chiapas bis zu den Dschungelpyramiden Yucatáns
San Cristóbal de las Casas ist ein feiner Einstieg in Mexikos Süden, die Stadt an der Panamericana im Hochland von Chiapas ist ein Mix aus indigener Kultur mit spanischem Kolonialflair. Das Handelsstädtchen (in der Nähe zu Guatemala) genießt den Ruf als „Indigenen-Hauptstadt“ im Süden Mexikos. Tatsächlich dominieren die Chamula und Zinecantecos mit ihren traditionellen Trachten das Treiben in den Gassen und auf Märkten, verkaufen Haushaltsgut, Gemüse und Obst. Genauso begeistert San Cristóbal, das am Gringo Trail durch Zentralamerika liegt - durch gute Sprachschulen, koloniale Pracht und Museen. Ein guter Einstieg zum Verständnis „des alten und des neuen Mexiko“ ist der Besuch im Na Bolom Museum (das Haus des Jaguars) von Gertrude Duby-Blom. Nach einem bewegten Leben in Deutschland und Frankreich heiratete die „Königin des Urwalds“ den dänischen Archäologen Frans Blom. Gemeinsam gründeten sie das Maya-Forschungszentrum, akribisch wurden Funde und abertausende Fotos gesammelt. Die angesehene Frau, sie starb 1993, trat für Landreformen, Wiederaufforstung und Naturschutz ein und wurde so zu einem Sprachrohr für die indigene Bevölkerung und die kaum bekannte Kultur der Lakandonen Indigenas.
Türkises Wasserspektakel
Natur pur und eine Augenweide wartet bei Agua Azul: der wohl schönste Wasserfall des Landes. Besser gesagt eine 7 km lange spektakuläre Wasserfallorgie, bei der sich hellblaues Wasser über zahllose Terrassen einen Weg durch den grünen Dschungel bahnt. Der grün-türkise Kontrast ist einzigartig und kann auf Wanderwegen, wenn auch schweißtreibend, genossen werden. Kleine Restaurants laden zum Verweilen. Fotofreaks, Selfie-Darsteller und Instagram-Junkies sind im Fotodreamland.
Dschungelpyramiden
Der Rundgang durch die Tempelanlagen ist beeindruckend, Höhepunkt ist die „Pyramide der Inschriften“ mit ihren Hieroglyphen und der Geschichte von Pacal, dem bedeutendsten Herrscher von Palenque. Um 300 v. Chr. gegründet, war Palenque im 7. u. 8. Jh. n. Chr. in voller Blüte mit Straßen, Wohnvierteln, Feldern und Gärten, mit Tempeln und dem berühmten Palacio. Ab dem 10. Jh. setzte der Verfall ein, die Stadt versank im Regenwald und wurde vergessen. Für die spanischen Eroberer war sie bedeutungslos, erst sehr viel später begannen Ausgrabungsarbeiten. Wie schrieb doch der amerikanische Wiederentdecker und Schriftsteller John L. Stephens: „Nichts hat mich im Roman der Weltgeschichte stärker beeindruckt.“ 1952 lieferte der mexikanische Archäologe Alberto Ruz Lhuillier eine Sensation, hatte er doch nach mühevollem Suchen im Inneren der Pyramide der Inschriften ein Grab mit Grabbeigaben entdeckt. Weitere Grabfunde folgten, Inschriften halfen beim Entschlüsseln von Maya-Hieroglyphen. Welch ein Boost für die Forschung!
Koloniales Mexiko
Die spanischen Eroberer fanden nach ihrem Eintreffen um 1500 eine untergehende Hochkultur vor und mussten nicht wie im Norden bei den Azteken mit List und Skrupellosigkeit ein Land erobern und vernichten. Der Widerstand war bald gebrochen, Mexiko wurde neu erfunden. An strategisch günstigen Plätzen wurden „europäische“ Städte mit spanischen Stadtnamen gegründet. Die Hafenstadt Campeche gibt davon ein großartiges, von der UNESCO geschütztes koloniales Zeugnis. Ebenso Mérida, die Hauptstadt der Halbinsel Yucatán. Die Region wurde im 19. Jh. durch den Anbau von Sisalagaven und der Verarbeitung der Fasern zu Seilen wohlhabend. Der Export blühte. Das ist in Mérida ersichtlich, willkommen in der atmosphärischen Welt der Calles und Plazas, weißgetünchten Häuser, wuchtigen Paläste und goldstrotzenden Kirchen. Herz- und Kommunikationszentrum ist der Zócalo (Hauptplatz) mit schattenspendenden Bäumen. Einen Abend hier zu verbringen, heißt tief in Mexikos Seele zu schauen: Tacos von der Straßenküche zu kosten, Straßenmusikanten zu lauschen, mit den Menschen zu reden, die Atmosphäre einzusaugen. Da vergisst sogar die Jugend auf die Omnipräsenz des Internets und kommuniziert und turtelt live. An den Wochenenden „geht die Post ab“ bei Salsa, Son, Reggae, Mambo und typischer Mariachimusik, die Innenstadt wird für Fiestas zur autofreien Partyzone.
Chili und Corona
Mit viel Muße unternehmen wir einen genussvollen Streifzug durch Mexikos Küche: Tacos, Tortillas, Burritos und Enchiladas haben ja einen Siegeszug um die Welt angetreten. Doch Mexikos Küche ist weit vielfältiger – vom „Coctel de Mariscos“ über Ceviches, Guisado-Eintöpfe bis zu unzähligen Pollogerichten (Huhn) reicht das Angebot. Als Einstieg bietet sich ein mehrgängiges Comida Corrida an - mit Sopa, Guisado und einem herzhaft süßen Postre. Bier passt immer dazu, Mexikos Corona-Bier hat ja durch die Pandemie gratis eine etwas zweifelhafte weltweite Werbung erfahren. Der Austausch an Nahrungsmitteln und Tieren zu Entdeckerzeiten war sehr vorteilhaft für beide Kontinente. Die Europäer brachten Rinder und Schweine, Milch, Käse und die heute für die „Tex-Mex-Küche“ so unentbehrlichen Zitronen. Dafür gingen Truthähne, Avocados und Tomaten über den Großen Teich – und natürlich Chili.
UNESCO Giganten
Längst hat sich das Szenario von der Bergwelt um San Cristóbal in Buschlandschaften mit Viehzucht-Haciendas gewandelt. Dazwischen verstecken sich im Dschungel die einzigartigen Hochkulturstädte der Maya auf der Halbinsel Yucatán. In der UNESCO geschützten Maya-Stadt Uxmal begeistern die Dimensionen des Palastes des Gouverneurs mit unzähligen Ornamenten und Masken genauso wie die 38 m in den Himmel ragende „Pyramide des Zauberers“. Die darf leider nicht mehr bestiegen werden, genauso wenig wie die berühmte 30 m hohe Kukulkan-Pyramide von Chichén Itzá. Ob daran mit „Flip-Flops bewaffnete Pyramidentouristen“ schuld sind oder der Ansturm unzähliger Kreuzfahrttouristen entsprechende Verbote heraufbeschwor, ist ungeklärt. Jedenfalls gilt ein generelles Betretungsverbot. Um das alte „Neue Weltwunder“ Chichén Itzá wirklich in Ruhe und Aura erleben zu können, heißt es zeitig kommen – vor den Busladungen und vor der Mittagshitze. 8 km2 groß ist die Anlage, neben dem Observatorium und Tempelanlagen versetzt der 91 m lange und 36 m breite Juego de Pelota (Ballspielplatz) mit den berühmten Steinringen und noch eigenwilligeren blutigen Spiel- und Opferregeln für die Teams in Erstaunen.
Besuch beim Regengott
Auf der flachen Kalksteinebene der Halbinsel versickert das Regenwasser und sammelt sich in unterirdischen Grottenseen, den Cenotes. Mancherorts sind die Cenotes sogar durch unterirdische Flusssysteme verbunden, Höhlentaucher sind immer noch am Entdecken. Die Unterwelt Yucatáns ist durchlöchert wie Emmentaler Käse, mehr als hundert Grotten sind bekannt. Das wussten bereits die Maya, für sie waren die Grotten der Eingang in die Unterwelt zu ihrem Regen- und Fruchtbarkeitsgott Chaac. Er war im trockenen Yucatán ein Garant für das Überleben ihrer Hochkultur. Angeblich wurden ihm auch Menschenopfer dargebracht. Heute geht es friedlicher zu, einige dieser Cenotes sind zugänglich gemacht worden. Und sorgen für ein erfrischendes unterirdisches Süßwasserbad.
Sabine und Sepp Puchinger