Wir hatten in der „Hochzeit“ unserer CampingReisen ab Ende der 1980er Jahre weit über 100 Zelttouren zu den Naturwundern im Westen der USA – wer sie einmal gesehen hat, den lassen sie nicht wieder los. Deswegen habe ich mich 2023 auf den Weg gemacht, quasi das „ideale Routing“ für diese Traumlandschaften zu finden. Ich weiß, man sollte sich hüten, permanent von atemberaubend, überwältigend, grandios zu schreiben – aber so fühlt man sich in den Naturwunderwelten im Westen der USA: Man kann kaum glauben, dass der nächste Tag wieder etwas ganz Anderes und Einzigartiges bringen wird – und man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Yellowstone NP
Wir starten in Jackson Hole – nicht, weil es hier österreichische Skigrößen gab, sondern weil wir hier bereits inmitten der einzigartigen Bergwelt des Grand Teton Nationalparks sind. Anfang Juni blüht so viel: gelbe Margariten, Lupinen und Rittersporn, richtige Blumenwiesen neben der Straße. Und wir sind so nah am Yellowstone Nationalpark! Wer denkt, dass es Anfang Juni schon recht warm wird, war noch nie um diese Zeit in Wyoming – wir queren immer wieder Pässe mit über 2800 m, wo neben der Straße noch der Schnee liegt. Der Yellowstone empfängt uns grandios mit dem Western Thumb Basin – heißen Quellen am Ufer des Yellowstone Lakes in fantastischen Farben! Und zum Yellowstone gehört auch der tägliche Verkehrsstau, hervorgerufen durch eine querende Bisonherde oder vielleicht einen Schwarzbären oder einen Elch ... Yellowstone ist ein aktives vulkanisches Gebiet – was vor Jahren einmal fantastisch war wie die Mammoth Hot Springs, kann sich im Laufe der Jahrzehnte verändern. Unsere Lieblingsplätze sind derzeit die Grand Prismatic Spring mit ihrem unglaublichen Farbenspiel und das Norris Geyser Basin, das derzeit aktivste Becken – kaum zu glauben, wie viele kochende Quellen und Fumarolen es hier gibt! Natürlich beeindruckt immer noch der Old Faithful, obwohl es eindeutig ein „Massenauftrieb“ ist. Atembe-raubend schön würde ich ganz definitiv den Grand Canyon des Yellowstone River nennen - mit Upper und Lower Fall sowie der bizarren Farbgebung beim Artist Point.
Dinosaur National Monument
Ein langer Fahrtag bringt uns durch die Prärie im südlichen Wyoming Richtung Dinosaur National Monument. Wir alle haben schon einmal Dinosaurier Knochen gesehen, aber nicht 1500 an einem Ort, von den verschiedensten Saurier-Arten, wie wir sie in der Quarry Exhibit Hall in einer natürlichen Felswand bewundern können. Dinosaur besteht nicht nur aus Saurierüberresten, sondern umfasst auch die gewaltigen Schluchten des Green und des Yampa River, die man im Park überblicken kann.
Canyonlands NP und Arches
Moab, unsere nächste Station, ist der perfekte Ausgangspunkt für die „Island in the Sky“ im Canyonlands NP – in der bogenreichen Landschaft nahe dem Arches NP hat auch der wunderschöne Mesa Arch seine Berechtigung. Kurze Spaziergänge führen zu prachtvollen Aussichtspunkten auf die Canyons des Colorado und des Green River. Tief eingeschnitten liegen sie hunderte Meter unter uns – Island in the Sky beschreibt sehr gut, dass wir auf einem Hochplateau stehen, das von fast senkrechten Felswänden begrenzt wird.
Der Nachmittag im Arches Nationalpark hält viele weitere Bögen bereit, aber auch Ausblicke auf die fantastischen Sandsteinlamellen, aus denen im Laufe von Jahrtausenden diese Bögen herauserodieren – ein gutes Beispiel ist die „Park Avenue“. Und im Laufe der gut 30 Jahre, die ich im Westen der USA unterwegs bin, ändern sich auch die „Best of“ der Bögen – war es früher der Landscape Arch oder der Delicate Arch ist es jetzt eindeutig der Double Arch!
Monument Valley und Canyon de Chelly
Nahe der Four Corner, wo Utah, Arizona, Colorado und New Mexico aufeinandertreffen, beginnt die Navajo Nation Reservation, die sich Nord-Süd vom Monument Valley bis zum Petrified Forest und West-Ost vom Grand Canyon bis ins westliche New Mexico erstreckt. Mit einem Navajo Fahrer erkunden wir auch das Monument Valley – bekannt aus Film und Werbung. Und doch jedes Mal so anders und vielfältig: riesige rote Sandstein“rollen“, über den roten Sand verstreut, zauberhafte Durchblicke, gewaltige Felsmassive wie die „Mittens“ oder filigrane Felstürme wie der Totem Pole inmitten roter Sanddünen. Einfach nur schön …
Ein weiteres Navajo Gebiet ist der Canyon de Chelly – heiß umkämpft mit zahllosen Toten, bis man den Navajo das Gebiet endlich wieder zugesprochen hat. Ein Schluchtensystem mit drei Canyons, wobei man vor allem entlang des nördlichen Canyon del Muerto und des südlichen Canyon de Chelly unterwegs ist. Der grüne Talboden mit den roten steilen Felswänden ist beeindruckend! Ein besonders interessanter Trail im Norden führt zum Ausblick über das Antelope House (dem Überrest einer Anasazi-Siedlung, die vor den Navajos hier lebten). Aber auch der Süden hält einzigartige Ausblicke bereit – vor allem auf den Spider Rock. 244 m hoch ragen die beiden Felsnadeln auf – für die Navajo ist der Platz untrennbar mit den Mythen der Spinnenfrau verbunden, die die Menschen die Kunst des Webens lehrte.
Petrified Forest
Nach einem Stopp bei der ältesten Trading Post in Ganado erreichen wir die Painted Desert und die unglaubliche Welt des Petrified Forest – welch ein genial schönes Erlebnis! Zuerst passieren wir rötlich gefärbte Hänge und sehen die ersten Stücke versteinerten Holzes. Mit jedem Kilometer Richtung Süden wird es immer einzigartiger: ein Spaziergang durch die Blue Mesa gehört zu den herausragenden Momenten im Westen der USA – eine Landschaft wie von einer anderen Welt! Wer glaubt, dass es sich nicht mehr steigern kann, täuscht sich: vielleicht nicht die Landschaft, aber die Holzstücke - entlang des Crystal Forest Trails finden wir nicht nur meterlange mächtige Baumstämme, sondern auch solche mit schönen bunten Achatkristallen in den Baumstämmen - eine wahre Farbenpracht!
Grand Canyon
Über Flagstaff, eine der hübscheren Städte im Westen der USA, gelangen wir an den Rand des Grand Canyon – unser Quartier ist im Grand Canyon Village und wir wollen am Nachmittag noch ein Stück Richtung Mojave Point und Hermits Rest wandern. Der späte Nachmittag und der frühe Morgen sind ideal dafür geeignet – die Shuttlebusse des Parks sind verlässliche Helfer auf dem Weg entlang des South Rim. Richtung Osten ist der Ausblick vom Desert View Tower besonders sehenswert – und nicht nur die Aussicht. Der Turm wurde in den 1930er Jahren errichtet und von lokalen Navajo und Hopi sehr eindrucksvoll mit Wandmalereien ausgeschmückt.
White Pocket und Lower Antelope Canyon
Wer in den Genuss einer der schönsten Sandsteinlandschaften inmitten des Vermilion Cliffs National Monument gelangen will, muss in Page sehr früh aufstehen – dank der Zeitumstellung an der Grenze von Arizona und Utah. Es zieht uns bei einem Geländewagen-Ausflug in die Wunderwelt der White Pocket - noch immer ist kein Permit notwendig, für mich ist es noch immer einer der großartigsten Punkte im Westen der USA. Es sind ikonische Landschaften, durch die wir wandern – weiße Sandsteinpolster, die jäh von rötlichen, rosa und gelben Felsformationen abgelöst werden. Wunderbarste natürliche Linienführungen in Weiß und Rosa, grandiose Ausblicke, kaum Vegetation. Sandstein in seinen schönsten Erscheinungsformen!
Das Feuerwerk einzigartiger Landschaften lässt nicht nach – östlich von Page durchwandern wir den Lower Antelope Canyon, ein Slot Canyon mit hohen, steilen Wänden, in dem das minimal einfallende Licht fantastische Farben zaubert …
Hoodoos im Bryce Canyon
Wenn ich gemeint habe, dass die White Pocket das Non-Plus-Ultra an Sandstein-Erlebnis ist, dann muss ich nicht nur beim Bryce Canyon nochmals nachdenken, ob ich meine Meinung nicht doch überdenken sollte (auch bei der „Wave“, die leider für Gruppen nicht erreichbar ist). Das Amphitheater des Bryce Canyon ist ein überaus lebendiges Lehrbuch zum Thema Erosion. Tausende Hoodoos ragen in Ocker, Weiß und Gelb auf – oh, Sie kennen keine Hoodoos? Im Westen der USA lernt man das sehr rasch – kleinere und größere Türmchen aus Sedimentgestein werden hier Hoodoos genannt. Und wir haben sie an vielen Orten gesehen – hier ist allerdings ein Eldorado, eine labyrinthartige Zauberwelt aus Hoodoos, durch die Wanderwege führen. Nicht zu Unrecht wird ein Pfad Fairyland Loop genannt. Zuerst entstehen aus den Steilwänden diese delikaten Türmchen, dann werden sie im Laufe der Erosion langsam wieder abgetragen, um sattrote oder weiße Flächen zu hinterlassen.
Zion NP und Las Vegas
Richtung Westen schließt in diesem Gebiet fantastischer roter Felslandschaften der Zion Nationalpark an – durch eine „karierte“ Landschaft mit den Erosionsrinnen der Checkerboard Mesa erreichen wir das Zion Tal mit tiefroten Sandsteinwänden. Ziel des Tages ist Las Vegas, eine Stadt, die niemals schläft und die inmitten der Wüste von Nevada mit den aberwitzigsten Hotelbauten aufwartet: eine Pyramide, die Skyline von New York, ein venezianischer Palazzo inkl. Kanal und Gondolieri!
Sequoiadendron giganteum
Der letzte Nationalpark ist eine Welt lebender Giganten vor der Kulisse der schneebedeckten kalifornischen Sierra Nevada (mit dem Mt. Whitney bis zu 4418 m hoch). Obwohl bei gewaltigen Waldbränden 2020 und 2021 knapp 10.000 Riesenmammutbäume verbrannt sind – die Spuren sind überall zu sehen, begeistern noch immer zigtausende dieser gewaltigen Bäume im Sequoia- und Kings Canyon Nationalpark. Inmitten des Giant Forest erhebt sich der mächtigste Baumriese – der General Sherman Tree mit knapp 84 m Höhe, 31 m Stammumfang und einem Alter von mindestens 1900 Jahren. Gleich eine ganze Ansammlung wunderbarster Riesenmammutbäume birgt die General Grant Grove im Norden des Parks.
Unsere Endstation ist San Francisco – nach mehr als 40 Grad Hitze in den weiten Plantagen Zentralkaliforniens fallen hier am Abend bei 18 Grad die Nebel ein. Wir bewundern an der Fisherman’s Wharf wunderbare historische Schiffe und starten mit dem Schiff über die Bay nach Sausalito. Eine Fahrt mit der Cable Car gehört genauso dazu wie der Blick von den Marin Headlands auf die Golden Gate Bridge.
Es war hoffentlich nicht meine letzte Reise in den Westen der USA, auch wenn die USA ein sehr „teures Urlaubspflaster“ geworden sind.
Ein Nachsatz von Leos Sohn, der uns begleitet hat: Es war für ihn unvorstellbar, dass man nach dem Yellowstone Nationalpark auf gleich hohem Naturwunder-Niveau bleiben kann – er hat es Tag für Tag angezweifelt und wurde von der einzigartigen Natur im Westen der USA immer wieder eines besseren belehrt …