Im Norden Australiens liegt eine Landschaft, die Mythen nährt. Dieses Gebiet wird von Weißen Kakadu genannt, in etwas unbeholfener Anlehnung an das weicher klingende Gagadju, den Namen der Aborigines, die seit Jahrtausenden in dieser Gegend leben.
Kakadu ist Australiens Garten Eden. Mit über 20.000 qkm ist er nicht nur der größte australische Nationalpark, sondern sicherlich auch einer der nationalen Schätze. Die Feuchtgebiete des Parks werden von dem gewaltigen, 500 km langen Steilabbruch Arnhem Land Escarpment überragt, der vor rund 2 Milliarden Jahren entstand. Wohin man auch schaut, immer wirkt die ursprüngliche Landschaft eindrucksvoll. Felsformationen, mächtige Wasserfälle (vor allem am Ende der Regenzeit im April und Mai), mächtige Wasserläufe, imposante Klippen, reißende Wasserfälle, beschauliche Lagunen, reiche Tierwelt, zahllose, oft einzigartige Pflanzen und einige der schönsten Kunststätten der Aborigines – all dies trägt zum Reiz dieser besonderen Region bei. Die Bedeutung des Parks kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass er zum Welterbe erklärt wurde. Während die meisten anderen Stätten wegen bedeutender kultureller oder natürlicher Merkmale in dieses exklusive internationale Register aufgenommen wurden, konnte sich Kakadu wegen beider Eigenschaften und ist somit das Kronjuwel unter den australischen Nationalparks.
Einer der größten Streitpunke schon bei Gründung des Parks vor mittlerweile 25 Jahren waren die Uranerzvorkommen. Eine Kommission der Regierung wurde eingesetzt, die sich mit den Auswirkungen des Uranabbaus auf die Umwelt und das Leben der Aborigines beschäftigen sollte. Letztlich kam man zu dem Ergebnis, dass der Uranabbau innerhalb der Grenzen des Nationalparks erlaubt sein sollte und gleichzeitig das gesamte Gebiet an die Ureinwohner zurückgegeben wurde. Drei Abbaugebiete wurden ausgewiesen von denen in zwei heute aktiv nach Uran gegraben wird. Die Aborigines erhalten von den Minenfirmen Tantiemen für die Nutzung des Landes. Dennoch kam es vor einigen Jahren zu einer heftigen Kontroverse, als die zweite Mine (Ranger) aktiviert wurde. Mittlerweile haben sich die Gemüter wieder etwas abgekühlt.
Welche Auswirkungen der Abbau von Uran auf das Ökosystem Kakadu haben wird ist umstritten. Das größte Problem dürfte die Reststrahlung der zurückbleibenden Schlämme sein, die durch die Monsunregen über weite Gebiete verteilt werden könnten. Doch selbst die Aborigine Vertreter sind sich darüber einig, dass die Erzfunde für die Ureinwohner der Region unbestreitbare Vorteile gebracht haben: die medizinische und schulische Versorgung der Region wurde deutlich verbessert, Geld kam in die leeren Kassen der Stämme. Doch das wichtigste für die Aborigines ist die Tatsache, dass sie wieder die Entscheidungsgewalt über ihr Land haben. Es ist kaum denkbar, dass es ohne die Uranvorkommen zu einer Rückgabe des Landes sowie zu einer Gründung des Nationalparks in seiner heutigen Form gekommen wäre.
Nun zu den landschaftlichen Besonderheiten dieser einmaligen Landschaft. Auf 20.000 qkm hat sich hier eine außerordentlich große Artenvielfalt erhalten. Besonders eindrucksvoll wird dies dem Besucher am Yellow Waters Billabong (Billabong ist eine Bezeichnung, welche die Weißen von den Ureinwohnern übernommen haben und steht für ein nie austrocknendes Wasserloch) vor Augen geführt. Eine Bootstour durch dieses Gebiet zählt zu den unumstrittenen Höhepunkten einer Australienreise. Besonders früh morgens zum Sonnenaufgang kann man hierbei unzählige der gefürchteten Leisten- oder Salzwasserkrokodile beobachten. Das beeindruckendste Schauspiel ist aber der allmorgendliche Einflug von bis zu 250.000 Spaltfußgänsen, die von ihren Schlafplätzen in den Bäumen zurück zum Wasser fliegen. Der Bootsführer stellt den Motor aus und man kann den ‚Klang von Kakadu’ erleben: Das Schnattern von Tausenden Gänsen. Besonders am Ende der Trockenzeit – wenn nur noch wenige Tümpel mit Wasser gefüllt sind – verdunkelt sich dabei der Himmel. Unzählige weitere Vogelarten kann man bei der Fahrt durch die Yellow Waters beobachten – Schwarzhalsstörche, Brolga Kraniche mit ihrem charakteristischen Tanz, Jesusvögel (Jacana), die über die Blätter der blühenden Lotosblumen wandern. In den Astgabeln kann man die Horste der Fischadler sehen, darüber kreist der Pfeifende Milan, einer der häufigsten Greifvögel Australiens. Auch Säugetiere trifft man im Park an – z.T. wurden diese jedoch von den Europäern eingeführt wie der Wasserbüffel, den man wegen der Schäden, die seine Hufe anrichten, in den letzten Jahrzehnten stark gejagt hat. Von den Kängurus ist das Euro oder Bergkänguru am häufigsten. Der Fleckenbeutelmarder, das häufigste und größte fleischfressende Beuteltier der Gegend, hat durch die Ankunft der Agakröte wie viele andere Tiere stark gelitten. Die Agakröte (Bufo marinus) wurde 1935 nach Australien gebracht, um dem Zuckerrohrkäfer auf den Plantagen im Norden Queenslands zu Leibe zu rücken. Das Problem war jedoch, dass niemand den Kröten diesen Plan erklärte, denn sie rührten den Schädling nie an. Dafür breiteten sie sich rasch mit enormer Geschwindigkeit über die tropischen Gebiete Australiens aus. Dazu kam das Problem, dass ihre Haut mit einem giftigen Sekret überzogen ist. Viele einheimische Tiere verkannten die Kröten als Beutetiere und gingen daran zugrunde. Eine große Reihe an Schlangen und anderen Reptilien, Säugetiere und sogar Krokodile bezahlten ihre Begegnung mit den Agakröten mit dem Leben. Etliche Arten sind in ihren Beständen stark zurückgegangen. Die australischen Umweltbehörden haben dem Schädling den biologischen Krieg erklärt, doch zahlreiche Ökosysteme sind wohl schon irreparabel geschädigt und eine Lösung des Krötenproblems lässt wahrscheinlich auch noch Jahre auf sich warten. Viele Australier machen mittlerweile mit Aga-Kröten kurzen Prozess, wobei der Kältetod im Eisfach noch als die humanste Methode gilt. Man kann nur hoffen, dass die einmalige Landschaft von Kakadu und seine großartige Tierwelt dem Angriff der Kröten standhält, denn es steht viel auf dem Spiel. Die Schwemmebenen der Alligator Flüsse, die zweimal jährlich den Wandel zwischen Regen- und Trockenzeit erleben, gehören zu den letzten großteils unberührten Feuchtbiotopen des Planeten. Ein Besuch in Kakadu lohnt zu jeder Jahreszeit, die meisten Besucher kommen jedoch der Tierwelt von Yellow Waters und anderen Wasserlöchern und der besseren Erreichbarkeit wegen gegen Ende der Trockenzeit. Besonders eindrucksvoll ist der Park aber auch am Ende der Regenzeit: das Land ist saftig grün, die wenige Monate später fast ausgetrockneten Flüsse sind mehrere Kilometer breit und die unzähligen Wasserfälle an der Kante des Arnhemland Escarpment stürzen mit imposanter Wucht zu Boden - allerdings sind die Straßen in Richtung der Wasserfälle meist nur schwer passierbar, weil sie nicht asphaltiert sind und nach der 3-monatigen Monsunzeit kaum ein Durchkommen ermöglichen. Auf jeden Fall können wir allen Australienreisenden nur dringend empfehlen, diesen einzigartigen Park zu besuchen und seine Flora und Fauna, aber besonders auch die Felsmalereien in den bekanntesten Galerien, für immer im Gedächtnis zu haben. Ein großer Teil des am Top End des Northern Territory gelegenen Parks ist im Besitz von Aborigines, die seit mindestens 60.000 Jahren (nach neueren Forschungen möglicherweise sogar seit 100.000 Jahren) hier leben und deren Mythologie aufs engste mit diesem Territorium verbunden ist. Die in Kakadu vorhandenen Kunststätten der Aborigines sind weltberühmt, und Ubirr Rock wurde wegen seiner kulturellen, anthropologischen und archäologischen Bedeutung separat als Welterbe eingestuft. Gemeinsam mit den übrigen wichtigen Kunststätten von Nourlangie, Nanguluwur und Anbangbang vermittelt Ubirr Rock der gesamten Region eine in ganz Australien unerreichte Aura des historisch Bedeutungsvollen. Die zahlreichen Kunstwerke an Klippen, Felswänden und in natürlichen Felsbehausungen – in die sich die Aborigines während der heftigen Regenfälle der jährlichen Monsumstürme zurückzogen – zeugen von der Geschichte, Kultur und Mythologie der Aborigines und darüber hinaus vom Kontakt zu indonesischen Fischern, die in dieser Gegend Seegurken sammelten und nach Perlen tauchten. Bis in jüngste Zeit wurde auf den Felswänden von Kakadu von Aborigines gemalt, so findet man sogar Abbildungen von Gewehren aus der sog. ‚Kontaktzeit’ nach der Ankunft der Europäer. Die bekannteste mythologische Figur ist Namarrkon, der Blitzmann, der ein Symbol für den Beginn der jährlich wiederkehrenden Regenzeit ist. Am Ubirr Rock überwiegt der berühmte Röntgenbildstil, bei dem Fische, Warane und Schildkröten mit ihrem Skelett und den inneren Organen dargestellt wurden. Insgesamt gibt es Tausende von Kunststätten in Kakadu, doch nur wenige wurden von den Gagadju, seit 1981 wieder offizielle Eigentümer der Region, für Besucher geöffnet. Nach dem Glauben der Aborigines dürfen Stammesfremde keinerlei Einblick in ihre Zeremonien bekommen, weil diese sonst entweiht würden.