Seit einigen Jahren ziehen die Naturwunder Libyens im Inneren des Landes zahlreiche Reiselustige an. Riesige Dünengebiete, bizarr zerklüftete Gebirge und von Palmen umsäumte Seen beeindruckten mittlerweile viele Wüstenreisende von Kneissl Touristik. Im Frühjahr wurde das vielfältige Programm um eine Destination reicher, der Südosten des viertgrößten afrikanischen Landes wartet nun darauf entdeckt zu werden.
Zwischen dem Waw an-Namus, der durch die totale Sonnenfinsternis am 29.März 2006 seinen Bekanntheitsgrad steigern konnte, und den sogenannten Kufra Oasen im äußersten Südosten des Landes breiten sich die großen Ebenen der Ramla Rabiana und des Serir Tibesti aus. Niedrige Sanddünen und Schotterflächen wechseln einander ab, sodass tagelange Fahrten durch diese endlosen Weiten in Kauf genommen werden müssen, ohne nennenswerte Erhebungen zu finden oder Menschen zu begegnen. Es heißt, Allah hat alles überflüssige Leben aus der Wüste entfernt, um in Frieden wandeln zu können. Er hat dem Menschen die Wüste jedoch nicht verboten, denn Allah teilt diesen Frieden mit uns. Die Fahrt durch die Ramla Rabiana nach Kufra ist eine wunderbare Möglichkeit diesen Frieden hautnah zu erleben.
Die Kufra Oasen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts einst letzter Stützpunkt der islamischen Sanusiya Bruderschaft in ihrem Abwehrkampf gegen die italienische Besatzungsmacht, haben zwar längst ihren Glanz und ihre Schönheit verloren, worüber der renommierte Wüstenreisende Ladislaus Almasy noch zu berichten wusste, doch der Name klingt auch heute noch nach. Dieser fasste damals die Gruppe der Oasen Tazirbu, Sirhan, Bzima, Rabiana sowie Kibabu zusammen. Heute wird diese Bezeichnung nur mehr für letztere verwendet, da sie die größte, bewohnte Siedlung darstellt. Lange Zeit war es den europäischen Abenteurern und Forschungsreisenden unmöglich in diese abgelegene Region vorzudringen, da die Sanusiya Bruderschaft jeglichen fremden Einfluss bekämpfte und daher Eindringlinge fernhielt. 1933 wurde die Bruderschaft von den Italienern vertrieben. So erhielten die Oasen einen mystischen und sagenumwobenen Ruf, der sich bis in die Gegenwart hielt. Die wirtschaftliche Grundlage aller Oasensiedlungen bildete damals die Dattelpalme, von der es mehrere Millionen gegeben haben soll, und der blühende Karawanenhandel mit dem Süden. Der Hauptort Kufra-Kibabu ist mittlerweile zu einer typischen Grenzstadt geworden, Ägypten, der Sudan und der Tschad liegen in unmittelbarer Nähe. Dementsprechend ließen sich hier viele Zuwanderer aus diesen Ländern nieder, aber auch Algerier und Marokkaner haben hier ihre zweite Heimat gefunden. Kufra lebt nach wie vor noch vom Handel und von der Landwirtschaft, nur haben LKWs die Kamelkarawanen von einst abgelöst. Ein weiteres, lukratives Geschäft ist der Zwischenhandel mit Schlachtkamelen, die den langen, strapaziösen Weg aus dem Tschad und dem Sudan selbst antreten müssen, um in Libyen letztendlich im Kochtopf zu landen. Die Tiere gelangen über Kufra nach Benghazi oder weiter über Sabha nach Tripolis. Berühmtheit erlangten die Oasen, als der allgegenwärtige Revolutionsführer Muammar al-Qaddafi im Jahre 1982 sein Great Man Made River-Projekt in Angriff nahm. Ziel dieses Vorhabens war es, die fossilen Grundwasservorkommen, die sogenannten Aquifers, durch Bohrungen in der Wüste auszubeuten und durch unterirdisch verlegte Leitungen an die Küste zu bringen. Riesige Seen und Binnenmeere, die während der Regenzeiten entstanden, als in Europa die Eiszeit herrschte, überfluteten zwischenzeitlich diese Region. Diese meist abflusslosen Gewässer sickerten langsam bis in tiefere, undurchlässige Erdschichten, wo sie heute noch lagern und von den Libyern für ihre zweifelhaften, landwirtschaftlichen Großprojekte abgepumpt werden. Reste dieser Seen und Binnenmeere an der Oberfläche gibt es sehr wohl noch, die Mandara Seen sind ein gutes Beispiel dafür, aber auch Bzima und Rabiana können noch mit etwas Wasser aufwarten. Laut den Berechnungen libyscher Hydrologen sollte das Wasser mehr als 50 Jahre reichen, um die Küstengebiete problemlos mit Trink- und Nutzwasser versorgen zu können. Eines dieser gigantischen Aquifers stellt das Kufrabecken dar, das den gesamten Südosten Libyens umfasst. Das lebensspendende Nass wird aber auch direkt vor Ort genutzt, riesige kreisrunde Felder mit mehreren hundert Metern Durchmesser werden damit bewässert. Dieses Irrigationsprojekt ist mit ca. 90 Anlagen das größte des Landes.
In diesem Teil der Sahara liegen die Oasen Tazirbu, Bzima und Rabiana, gleich Inseln in einem riesigen Ozean aus Sand. In den Jahrmillionen kam es in dieser Region immer wieder zu Hebungen und Senkungen sowie zu Gebirgsauffaltungen, riesige Becken entstanden, die sich allmählich mit Sand füllten, sodass letztendlich nur noch die höchsten Erhebungen herausragten.
Die bewohnte Oase Tazirbu bietet den Reisenden nach all den einsamen Tagen in der Wüste eine willkommene Abwechslung, jedoch sollte man hier keine pulsierende Metropole erwarten. Auch hier wird das fossile Wasser angezapft und nach Norden abgepumpt, sodass Tazirbu eher den Charakter einer Goldgräberstadt besitzt, die nur auf das Ende des Booms zu warten scheint. Die malerischste dieser Siedlungen ist Bzima, die etwa 100km südlich von Tazirbu liegt. Was anfangs nur ein schwarzer, kleiner Punkt am Horizont zu sein scheint, entpuppt sich nach längerer Fahrt als kleines Tafelgebirge, an dessen Rand das Dörfchen Bzima und ein roter Salzsee liegt. Die Häuser wurden vor einigen Jahren aufgegeben und der See ist langsam am austrocknen, jedoch lädt dieser Ort, der ein wenig an den Mandara See erinnert, sehr wohl zum Verweilen und zu Erkundungsgängen ein.
In der Oase Rabiana hingegen, die ca. 100km südlich von Bzima liegt, sollte man nur einen Tankstopp einlegen, insofern Benzin dort überhaupt erhältlich ist. Zwar liegt dieser Ort direkt an einem austrocknendem Salzsee und wird von markanten Bergen flankiert, die Siedlungstätigkeit der Libyer jedoch hat ihr übriges getan und Rabiana zu keinem besonders schönen Anblick verholfen.
Südlich von Kufra liegen das Arkeno und das al-Awaynat Gebirge, die sich am 25. Breitengrad befinden und somit bis nach Ägypten und in den Sudan reichen. In Kufra sollten zuvor Genehmigungen eingeholt werden, da man ohne diese nicht einmal Treibstoff erhalten würde, aber auch Trinkwasser und Proviant sind hier zu ergänzen, da die gesamte Distanz zu und von den Gebirgen etwa 660km beträgt und unterwegs absolut keine Versorgungsmöglichkeiten vorzufinden sind. Die Piste in den Süden ist technisch nicht sehr anspruchsvoll und kann schnell bewältigt werden, sodass das Arkeno bereits nach wenigen Stunden erreicht wird. Dieses Gebirge, das so wie das al-Awaynat vorwiegend aus Granit besteht, besticht zwar nicht durch imposant hohe Gipfel, lässt aber die Herzen der Geologen höher schlagen, die hier ein breites Betätigungsfeld vorfinden. Nach ca. 30km erreicht man schließlich das al-Awaynat Gebirge, das nicht nur einen landschaftlichen Höhepunkt darstellt, sondern auch kulturhistorisch einiges zu bieten hat. Prächtige Felsmalereien in ausgezeichneter Qualität zeigen grasende Rinderherden und tanzende Figuren, die sich über ihre riesigen Viehbestände zu freuen scheinen. Diese Bilder lassen sich so wie im Akakus Gebirge nur an geschützten Plätzen finden, wie z.B. in Felsnischen oder unter Felsüberhängen, die zumeist nach Norden ausgerichtet sind. Diese mehrere tausend Jahre alten Bilder, meist in rotbraun gehalten, zeugen von einer Klimaperiode, die wesentlich günstiger gewesen ist als heute und in der es öfter und regelmäßiger geregnet hat. Das Halten von Rindern wäre ansonst hier nicht möglich gewesen. Fast überall entdeckt man Steinwerkzeuge in Form von Klingen, Messern und Pfeilspitzen, aber auch den Abfall, der bei der Herstellung dieser Artefakte angefallen ist. Wie die Malereien zeigen, waren diese Menschen dunkelhäutig, schlank und großgewachsen. Ihre Nachfahren könnten womöglich die heutigen Tubu sein, das wahrscheinlich am besten an die Wüste angepasste Volk. Diese kontrollierten ein Gebiet, das sowohl das Arkeno und das al-Awaynat als auch das Tibesti Gebirge und den Gilf al-Kabir in Ägypten umfasste und bis in den Westen nach Zuwayla reichte. Erst im 18. Jahrhundert gelang es den Arabern die Tubu aus diesem Gebiet tief in den Süden zurück zu drängen und ihnen die Kontrolle darüber zu entreißen. Heute leben die Tubu vorwiegend im nördlichen Tschad und in den größeren Städten im Süden Libyens.
Das al-Awaynat Gebirge wird auf libyscher Seite von zwei großen Wadis durchzogen, dem Karkur Ibrahim und dem Karkur Buchlega. Auf Satellitenfotos lässt sich die ringförmige Struktur des Gebirges leicht erkennen, die von diesen beiden Wadis durchbrochen und in zwei Hälften geschnitten wird. Riesige, überdimensionale Kugeln und gigantische Platten, die wie wild durcheinander gewürfelt daliegen, charakterisieren diese unwirklich anmutende Welt. Die Vegetation in den Tälern ist spärlich, nur die Tamarisken mit ihren mächtigen Pfahlwurzeln halten sich hier hartnäckig und spenden Schatten in der Mittagshitze. Der Südosten Libyens zählt gegenwärtig zu den trockensten Regionen dieser Wüste, in dem jahrelang kaum messbarer Niederschlag fällt, so dass sich Vegetation nur in klimatischen Gunstgebieten bilden kann. Das al-Awaynat Gebirge mit seinen ca. 1900m hohen Gipfeln ist ein solches Gunstgebiet. Diese wirken wie Regenfänger und halten die wenigen Wolken in den Wintermonaten davon ab weiterzuziehen. Eine Fahrt zu den Kufra Oasen ist eine Fahrt abseits touristischer Pfade. Trotz ihres abenteuerlichen Charakters ist sie nicht nur für Wüstenfreaks gedacht, sondern auch für Neulinge, die sich zum ersten Mal in diesen Naturraum begeben und den Frieden mit Allah teilen möchten.