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TUAREG - NOMADEN ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN (VON MMAG. HARALD FRIEDL)

 
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Die Tuareg, in der Vorstellung der Europäer als Blaue Ritter der Wüste gegenwärtig, besiedeln jene kargen Regionen der Zentralsahara, in denen für Ackerbau zu wenig Regen fällt. Hier überlebt nur, wer mobil genug ist, um mit seinem Vieh die mageren Weiden der Sahelzone ab zu grasen: Nomaden! Seit über 1000 Jahren in mehreren Wellen vom Mittelmeer nach Süden eingewandert, besiedelt dieses Berberstämmige Volk heute fünf Staaten: Niger, Burkina Faso, Mali, Algerien und Libyen. Im Niger ist der Anteil der Tuareg mit etwa 1 Million an der Gesamtbevölkerung von fast 11 Millionen am höchsten. Als Tuareg verstehen sich dabei jene, die sich zu den Kel Tama-sheq und den Kel Tagelmust zählen, den Leuten, die Tamaschek, eine Berbersprache, sprechen, und den Gesichtsschleier tragen. Zum Mythos wurden die Tuareg einerseits wegen ihrer einstigen feudalen Sozialstruktur, bestehend aus Adeligen, Vasallen, Sklaven und Schmieden, andererseits aber auch wegen ihres beharrlichen Widerstands gegen die französischen Eroberer: Mit Schild, Speer und Schwert - sowie mittels Wüstenkenntnis und Schlauheit - wehrten sie sich bis ins 20. Jh. erfolgreich gegen die mit Maschinengewehren und Kanonen bewaffneten Eindringlinge. Auch die traditionellen Werte der Adeligen - Heldentum, Ehre, Wahrheit und Razzien, Raubzüge gegen Nachbarstämme oder die sesshafte Bevölkerung im Süden - erinnern an Elemente der europäischen Ritterzeit. Doch diese Zeit ist seit fast 100 Jahren vorüber, auch für die Kel Ewey-Tuareg in den Aïr-Bergen am Rand der Ténéré. Sie sind die Spezialisten unter den Tuareg-Nomaden, weil sie sich mit ihrer Lebens- und Wirtschaftsweise als Hirten, Gartenbauer und Karawanier perfekt den örtlichen Gegebenheiten zwischen der Ténéré-Wüste und ihrer Sultansstadt Agadez angepasst haben: In den Bergoasen wie Timia und Iferouane werden mittels Bewässerung Getreide, Gemüse und Früchte gezogen. Für die Milch-, Käse- und Fleischproduktion sorgen die Ziegenhirtinnen im Busch, während die Männer die Kamelzucht beherrschen. Ihre Tiere, der große Stolz der Tuareg, dienen neben der Milchproduktion als zentrale Transportmittel. Auf ihren Rücken werden Hirse, getrocknete Tomaten und Zwiebeln, aber auch Lebendvieh nach der Regenzeit durch die Ténéré zu den Oasen Faschi und Bilma geliefert und gegen das lebenswichtige Viehsalz eingetauscht. Das sagenhafte Erlebnis der Erscheinung einer Taghlamat, wie die Salzkarawane von den Tuareg genannt wird, dieser zur Ewigkeit erstarrte Augenblick, wenn Hunderte schwer beladene Kamele in Reih‘ und Glied leise stampfend am Horizont auftauchen und hinter den Dünen wieder verschwinden, lässt niemanden unberührt. Für die Karawanier selbst freilich ist dieser Job beinhart: Bis zu 16 Stunden dauern die täglichen Märsche im Wettlauf gegen den Verbrauch der Futtervorräte. Dafür gibt es dann nur einen mageren Gewinn, und selbst dieser schwindet zunehmend durch die LKW-Konkurrenz - oder wird zur Gänze bedroht durch eine Dürre.

Bis zum Ende der französischen Kolonialherrschaft vor 35 Jahren erlebte die Salzkarawane eine steile Karriere. Über 50.000 Tiere waren im Schutz der Soldaten die 1500 km-Strecke nach Bilma und ins Hausa-Land im Süden gezogen. Dort tauschen die Karawanier auch heute noch das Viehsalz gegen die Hirse der Hausa-Bauern ein, um mit diesen Vorräten ihre Familien für ein weiteres Jahr zu versorgen. Außerdem dient der Aufenthalt im feuchteren Süden den Kamelen - ähnlich unserem Almauftrieb, um leichter über die Trockenzeit zu kommen. Doch diese Perspektive vermag nicht mehr viele junge Tuareg zu überzeugen. Anstatt Tradition gilt heute ein ausreichendes Einkommen als erstrebenswert, um eine Familie anständig zu versorgen. Das große Ziel vieler Tuareg ist darum die Bewirtschaftung eines eigenen Gartens. Die in Timia geernteten Grapefruits, Mandarinen und Trauben werden bis nach Nigeria exportiert, und die am Bagzan-Plateau gezogenen Kartoffeln sind landesweit begehrt - und bringen gutes Geld. Erfolgreiche Schulabgänger wiederum träumen von einer Karriere im Staatsdienst - doch meist vergeblich, denn dem verarmten Staat fehlt oft sogar das Geld für die Beamtengehälter! Der größte wirtschaftliche Erfolg unter den Tuareg fällt meist den Angehörigen der Schmiedekaste zu: Als Außenseiter, bar jeder aristokratischen Ehre, weil sie sich mit schmutzigem Handwerk abgaben, verwandelten sie Leder, Holz und unreines Eisen in jene Waffen und Geräte, welche für die Nomaden überlebensnotwendig sind. Vor allem aber erzeugen sie jenen ästhetischen Silberschmuck, für den die Tuareg so berühmt sind und der in ganz Westafrika und Europa begehrt ist! Darum sind auch die Tuareg-Schmiede die großen Gewinner des Tourismus, der in den 80er-Jahren im Niger begonnen hatte.

Ein junger, weltoffener Tuareg-Nomade, Mano Dayak, hatte es damals verstanden, die französischen und deutschen Medien wie GEO für den Mythos Tuareg und den Zauber der Sahara zu begeistern. Mano gelang es sogar, die Rallye Paris-Dakar, eine Charter-Linie und dadurch viele Wüstenfans nach Agadez zu locken. In der Folge verlor die Region erstmals wieder ihr bitteres Image, bis dato geprägt von den schrecklichen Bildern der Opfer zweier katastrophaler Dürren in den 70er- und 80er-Jahren. In die Region floss wieder Geld und Hoffnung, doch leider nicht genug, um den grundlegenden Wandel der Tuareggesellschaft auszugleichen. 1991 griffen junge, entwurzelte Tuareg zur Waffe und kämpften sieben Jahre lang als Rebellen gegen einen Staat, mit dem sie nichts an zu fangen wussten. Erst 1997 gelang dem Land eine friedliche Lösung, verbunden mit der Integration der Ex-Rebellen in die Armee oder in die neu geschaffene Sahara-Polizei. Der Rebellenchef Rhissa ag Bulla wurde sogar Tourismusminister, Mano dagegen war 1995 tödlich verunglückt. Seither tragen wieder umfangreiche Entwicklungsprojekte zur Bekämpfung von Problemen wie Dürre und Arbeitslosigkeit bei. Ob auch der Tourismus geeignet sei, den Tuareg eine vertretbare Einkommensquelle ohne wesentliche Schäden zu eröffnen, untersuchte ich in Agadez und im Bergdorf Timia. Auf ausdrücklichen Wunsch der Bevölkerung entstand dabei ein kleines Projekt zur Förderung des Tuareg-Tourismus, nämlich die Umgestaltung eines renovierten Kolonialforts, perfekt vor dem fantastischen Panorama des Dorfes gelegen, in eine einfache Herberge. Zur Einweihung feierte ich hier sogar meine traditionelle Hochzeit mit meiner Grazer Braut. In der Überzeugung, dass nur jener Tourismus zur Entwicklung der Region beiträgt, von dem möglichst viele Beteiligten profitieren, und aufgrund der Erfahrung, dass die Tuareg den Kontakt zu den Fremden ausdrücklich wünschen, und sei es nur als Abwechslung vom einsamen Alltag als Ziegenhirte, entwickelte und testete ich für Kneissl Touristik besondere Reise-Routen. Sie führen zu den Lagern der Nomaden oder ins Dorf Timia, wo Europäer willkommen sind, in die einzigartige Tuareg-Kultur ein zu tauchen.

Und sie führen zu den schönsten Plätzen einer Wüste, die einzigartig in der Welt ist.

 
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