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SPANIEN: UNTERWEGS AUF DER SPANISCHEN SILBERSTRASSE

VON ELISABETH KNEISSL-NEUMAYER

 
Starte Diaschau
Merida (C) Christian Kneissl Las Medulas (C) stock.adobe Salamanca, Plaza Mayor (C) javarman - stock.adobe Monfraguee-NP, Salto del Gitano (C) Jose Ignacio Soto - stock.adobe.com
 

Es gibt zahlreiche Wege in den Wallfahrtsort Santiago de Compostela, aber nur einen einzigen, der schon lange vor der Tradition der Jakobs-Pilgerschaft als Handelsstraße entstanden ist.

Italica und Sevilla
Wir sind auf der römischen Via de la Plata unterwegs, die von der antiken Siedlung „Italica“ bis nach Astorga, wahrscheinlich bis zur Atlantikküste führte. Italica, von den Sevillanern „Sevilla la vieja“ (das alte Sevilla) genannt, liegt gut 10 km nördlich der andalusischen Hauptstadt und zählte zu den großen römischen Zentren der iberischen Halbinsel. Zwei der bedeutenden römischen Kaiser - Trajan und Hadrian  - wurden hier geboren. Italica beeindruckt heute mit seiner großen Arena und einigen Villen, in welchen die Fußbodenmosaike vor Ort noch erhaltengeblieben sind. Um noch eindrucksvollere römische Mosaike zu erleben, fahren wir zurück nach Sevilla (UNESCO-Welterbe), um den Palast der Condesa von Lebrija zu besuchen: Sie hatte als Leiterin der Archäologischen Ausgrabungen Anfang des 20. Jh. eine Fülle grandioser römischer Mosaiken gesammelt und das Erdgeschoß ihres Palasts damit ausgestattet - den Innenhof/Patio schmückt zur Gänze ein fantastisches Mosaik; insgesamt finden wir hier 580 qm prächtigster Mosaikfußböden und andere Artefakte.
Sevilla ist nicht nur Ausgangspunkt der römischen Via de la Plata, sondern auch des gleichnamigen Jakobswegs, der über 967 km (der längste in Spanien, sicher einer der ruhigsten und eindrucksvollsten Wege) nach Santiago führt.

In die Extremadura
Unser erster Abschnitt führt durch die Bergwelt der Sierra Morena in die Region Extremadura - vom Kloster Tentudía (13. Jh.) nahe Monesterio genießen wir den Ausblick über die schöne Bergwelt. Bei unserem nächsten Stopp Jerez de los Caballeros begeistert die weiße Stadtanlage auf einem Bergkamm, aus der fantastische Kirchtürme sowie der Bergfried der Burg aufragen. Der schönste der Türme schmückt die Kirche San Bartolomé, die dem Stadtheiligen von Jerez geweiht ist. Die gleichen fantastischen Verzierungen wie am Turm aus dem 16./17. Jh. beeindrucken beim Kirchenportal. Auch unser Übernachtungsort Zafra an der Via de la Plata darf eindeutig zu den Geheimtipps in der Extremadura gezählt werden - am Rande der Altstadt, die von einer massiven Stadtmauer geschützt ist, erhebt sich der alte Alcázar, in dem heute ein stilvoller Parador untergebracht ist. Nach kurzem Spaziergang erreichen wir den großen und den kleinen Hauptplatz und vor allem die bezaubernden Gässchen, die der Kleinstadt den Namen „Sevilla la Chica“ (das kleine Sevilla) gegeben haben.

Mérida
Mérida, die Hauptstadt der Region Extremadura, überwältigt mit ihren römischen Bauten (UNESCO-Welterbe) - „Emerita Augusta“ wurde 25 v. Chr. vom Kaiser Augustus für die Veteranen der römischen Legionen gegründet und mit einer Vielzahl prachtvoller Bauten geschmückt. Wir stehen staunend vor der erstklassig erhaltenen Bühnenwand des römischen Theaters, vor den Resten des Forums und des Diana-Tempels und spazieren über die längste erhaltene römische Brücke, die den Fluss Guadiana überquert. Beeindruckend sind auch die Reste des Milagros Aquädukts, dem wir stadtauswärts bis zum römischen Proserpina-Staudamm folgen - einst und jetzt (!!!) wird die Stadt von den aufgestauten Wassern dieser antiken Talsperre mit Trinkwasser versorgt.

Cáceres und Monfragüe-NP
Am Abend erwartet uns das mittelalterliche Cáceres, dessen Altstadt (UNESCO-Welterbe) wir durch das Sternentor betreten - die „Stadt der 1000 Wappen“ bezaubert mit kleinen Plätzen, schönen Kirchen, herrlichen Innenhöfen - fast alles ist perfekt erhalten. Nördlich von Cáceres liegt rings um den Zusammenfluss des Tajo und des Tiétar die einzigartige Landschaft des Monfragüe-Nationalparks (UNESCO-Biosphären-Reservat): Felsentäler und sanfte Hügel, vor allem aber schier endlose Dehesas bestimmen das Bild dieser grandiosen Naturlandschaft. Dehesa ist die spanische Bezeichnung für gemeinsam beweidete Eichenhaine (Steineichen und Korkeichen) - 1/4 der Extremadura ist von Dehesas bedeckt, die als Musterbeispiel naturnaher Kulturlandschaft gelten. Inmitten des Nationalparks erhebt sich am Tajo der Salto del Gitano, eine natürliche Talsperre mit mächtigen Felswänden, die der Tajo durchgeschnitten hat. Über uns schweben ständig dutzende Mönchsgeier und Gänsegeier, aber auch Kaiseradler sind zahlreich im Park zu finden.

Yuste
Nördlich des Nationalparks erreichen wir an den Ausläufern der Sierra de Gredos das Kloster Yuste, letzter Rückzugsort des Habsburger-Kaisers Karl V., in dessen Reich „die Sonne nie unterging“. Der mit 55 Jahren mächtigste Mann der Welt, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Herrscher über das spanische Weltreich, legte 1556 Krone und Ämter nieder, um sich in einen kleinen Palast neben dem Hieronymitenkloster zurückzuziehen. Der von Gicht geplagte Kaiser wollte sich hier, an diesem für uns „magisch schönen“ Ort, auf den Tod vorbereiten - sein Schlafzimmer ließ er dafür auch mit schwarzem Samt ausschlagen.

Plasencia, Hervás und Salamanca
Unser Weg nach Salamanca, der nächsten bedeutenden Station an der Via de la Plata, wird von zwei hübschen Städten unterbrochen: Das noch immer von einer Stadtmauer bewachte Plasencia im Tal des Jerte beeindruckt wie Salamanca mit 2 nebeneinander aufgebauten Kathedralen - neben der romanischen wurde eine prachtvolle spätgotische mit herrlichen Gewölben errichtet. In Hervás spazieren wir durch eine der größten und schönsten Juderias in Spanien - im ausgehenden Mittelalter lebte hier eine große jüdische Gemeinde. Kieselsteingepflasterte Gassen führen vorbei an weißgetünchten Häusern oder Fachwerkbauten, wie sie in der Sierra Francia üblich sind. Am Nachmittag erwartet uns die wichtigste Universitätsstadt Spaniens  - Salamanca (UNESCO-Welterbe). Seit 1218 besteht die älteste Universität Spaniens, Wirkungsstätte eines Fray Luis de León, eines Miguel de Unamuno, von Lope de Vega, Calderón de la Barca und Miguel de Cervantes, um nur einige zu nennen. Auch hier beeindrucken 2 Kathedralen - allerdings noch um einiges gewaltiger als in Plasencia! Den Abend lassen wir an der schönsten Plaza Mayor Spaniens ausklingen - mit herrlichem Wein aus der Region und einer Vielzahl köstlicher Tapas!

Richtung León
Weiter Richtung Norden machen wir einen kurzen Abstecher an den Camino Frances: Über Zamora, der romanischen Stadt am Duero, geht es nach San Miguel de Escalada, ein faszinierendes präromanisches Kloster  - fast im Nichts. Als im 9. Jh. dieser Teil von Kastilien von den Christen zurückerobert wurde, gründeten Mönche aus Córdoba ein Kloster, dessen Kirche 913 eingeweiht wurde. Die Architektur der Moscheen von Córdoba zeigt sich sehr deutlich in dem schönen Gotteshaus  - was sollten die Mönche anderes kennen … Den Tag beschließt der Besuch des Panteón Real in der San Isidoro Basilika in León, ausgestattet mit grandiosen Fresken aus romanischer Zeit, die in all ihrer Farbpracht aus dem 12. Jh. erhalten geblieben sind und die Grabstätte der Könige von León prachtvoll ausschmücken. Die Altstadt von León ringsherum ist nicht minder schön und lädt zum Bummeln durch schöne Gassen und über reizvolle Plätze ein.

Etwas Moderne erwartet uns an der Ausfahrt von León  - der Bildhauer Subirachs (Schöpfer der Passionsfassade der Sagrada Familia) hat die Fassaden-Figuren der Virgen del Camino Kirche gestaltet. Antoni Gaudí war nicht nur in Barcelona tätig, sondern auch hier im Nordwesten Spaniens. Als 1886 der alte Bischofspalast von Astorga niederbrannte, holte Bischof Bautista Grau, ein Katalane, seinen geschätzten Landsmann Gaudí nach Astorga, um im „modernen“ Stil den neuen Palast zu errichten. Durch den Tod des Bischofs kam es zu einem Baustopp, dem nächsten war alles zu „modern“ - somit hat niemals ein Bischof in diesem „Bischofspalast“ residiert  - wir dürfen aber sehr wohl dieses Architekurjuwel des „frühen“ Gaudí bestaunen. Hinter Astorga umfängt uns die traumhafte Berglandschaft der Montes de León, die uns bis auf 1500 m Seehöhe zum Cruz del Ferro führt, der höchsten Erhebung des Camino Frances. Auf einem großen Steinhaufen, den die vielen Pilger - teils mit berührenden persönlichen Inschriften  - zusammengetragen haben, erhebt sich ein Baumstamm mit einem kleinen Eisenkreuz.

Las Médulas
Die Landschaft wird noch grandioser - hinter Ponferrada mit seiner Templerburg gelangen wir in eine Bergbauregion, die schon intensivst von den Römern genutzt wurde. Auf der Suche nach Gold haben sie mit ihrer Bergbautechnik und dank Ausschwemmen mit riesigen Wassermengen, wofür man ein 100 km langes Kanalnetz benötigte, die faszinierend roten Berghänge der Las Médulas (UNESCO-Welterbe) geschaffen. Hier sind wir schon sehr nahe an Galicien, das wir am Abend mit der schönen Stadt Ourense am Río Miño erreichen. Bereits die Römer schätzten die zahlreichen heißen Quellen der Stadt, die auch heute noch mit 70° hervorsprudeln.

Richtung Santiago
Bereits am Atlantik liegt die schöne alte Stadt Pontevedra, wo wir auf den portugiesischen Jakobsweg treffen. Rings um die Kirche der Virxe Peregrina, der jungfräulichen Pilgerin Maria, finden wir mächtige Adelshäuser (Pazos) und zahlreiche lebhafte Plätze, die zum Verweilen einladen. Entlang der Rías Baixas erreichen wir den Fischerort Combarro  - einst hat man die Häuser und auch die hochgestelzten Getreidespeicher (Hórreos) auf die Felsen am Ufer der Ría gebaut, um kein fruchtbares Ackerland zu verschwenden. Eng an eng steht hier Speicher um Speicher entlang des Ufers, teilweise auch für Lokale genutzt. Entlang dieser Rías Baixas, der tief ins Land hineingreifenden Meeresbuchten, die nach der Eiszeit aus ertrunkenen Flusstälern entstanden sind, geht es weiter nördlich zum „Ende der Welt“ nach Finisterre  - galicisch Cabo Fisterra. Wir sind nicht am westlichsten Punkt Europas und auch nicht Spaniens, aber für viele Jakobspilger war und ist es das eigentliche Ende der Wallfahrt - hier endete in der Granitlandschaft am Atlantik der lange beschwerliche Weg.

60 km östlich ist Santiago de Compostela (UNESCO-Welterbe) erreicht, das seit der Wiederentdeckung des Grabes des Apostels Jakobus als eines der wichtigsten christlichen Wallfahrtsziele  - neben Rom und Jerusalem  - gilt. Zu Beginn des 9. Jh. wurde aufgrund einer Vision das angebliche Apostelgrab gefunden, seit 930 sind die ersten Pilger aus Aquitanien bezeugt; 1047 hat man erstmals in einer Urkunde von Pilgern geschrieben, die den Weg des Hl. Jakobus gingen. Vor allem seit dem 12. Jh. hat man es in Santiago verstanden, in einfachen und verständlichen Botschaften das Bild eines versöhnenden Christus zu zeichnen, dessen Hilfe uns durch die Fürbitte des Hl. Jakobus zuteil wird. Millionen von Pilgern sind über die Jahrhunderte nach Santiago unterwegs gewesen. In den 70-er und 80-er Jahren des 20. Jh. kam es in Europa zu einer Renaissance des Pilgerwegs - 2023 sind knapp 450.000 Menschen aus der ganzen Welt am Pilgerweg registriert worden: als Wanderer oder Radfahrer, so viele wie nie zuvor. Wer vor der Kathedrale von Santiago steht, kann nur bewundernd und begeistert aufschauen - der alte Eingang durch das Pórtico de la Gloria ist den meisten allerdings verwehrt, aber auch über den Seiteneingang erreicht jeder Besucher das riesige Kirchenschiff, in dessen vergoldeten Hochaltar eine lebensgroße Statue des Hl. Jakobus eingelassen ist. Niemand kann sich dem Zauber, dem Glauben dieses Ortes entziehen, auch wenn hin und wieder lautlärmende Gruppen aus der ganzen Welt den Platz vor der Kathedrale überfüllen.

Viele gehen aus Glaubensgründen den Jakobsweg, viele reisen wie wir voll Begeisterung für Kunst und Natur entlang der unterschiedlichen Jakobswege. Auf der Via de la Plata trafen wir auf eine derartige Fülle wunderbarster Orte, dass man diesen Weg eindeutig zu den schönsten Reiserouten in Spanien zählen darf.

Elisabeth Kneissl-Neumayer

 
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