Weltstadt zwischen Orient und Okzident
An der Schnittstelle zwischen Europa und Orient/Asien liegt an den Wasserstraßen des Goldenen Horns und des Bosporus die sagenhafte Stadt Istanbul. Bei unseren Erkundungen treffen wir auf die einzelnen ruhmreichen Epochen dieser knapp 1700 Jahre alten Weltstadt.
Wer sich mit einem Ausflugsboot auf den Weg von der Galatabrücke zum asiatischen Ufer des Bosporus macht, wird mit einem der schönsten Panoramen der ehemaligen Hauptstadt des oströmischen, später byzantinischen, später osmanischen Weltreichs belohnt. Die dreieckige Halbinsel zwischen Goldenem Horn, Marmara-Meer und Bosporus gilt als Keimzelle der einzigartigen Stadt – wunderbar gestaffelt von den Häfen über die sieben Hügel der Stadt bis hin zu den prachtvollsten Baudenkmälern, die die Spitzen der Halbinsel krönen - Kirchen und Moscheen, wundervollste Minarette und einzigartige Paläste, die mit dem Klang ihrer Namen schon Fernweh erzeugen und heute das UNESCO-Welterbe der Stadt bilden: die Kirche der heiligen Weisheit - Hagia Sophia, die „Blaue“ und die Süleymaniye Moschee und natürlich der legendenumrankte Topkapı-Palast der osmanischen Herrscher.
Constantinopolis
Beginnen wir mit der Gründung der Stadt im Jahr 330 n. Chr. – mir ist bewusst, dass das griechische Byzantion bereits knapp 1000 Jahre früher vom legendären Byzas gegründet wurde, doch der ruhmreiche Aufstieg begann erst mit dem römischen Kaiser Constantinus und seinem „neuen Rom“, das ihm zu Ehren den Namen Constantinopolis erhielt. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurden mächtige Stadtmauern errichtet; Paläste, Kirchen, Zisternen und Aquädukte schmückten und versorgten die größte Stadt des Mittelmeers. Inmitten der Altstadt liegt u.a. das mächtige Hippodrom – rings um den gewaltigen Obelisken aus dem ägyptischen Karnak/Theben feuerten bis zu 100.000 Besucher ihre Favoriten bei den Pferderennen an. Um die Stadt mit ausreichend Wasser zu versorgen, wurden riesige Zisternen angelegt – zur Versorgung des Kaiserpalasts entstand um 540 die Basilika- oder Yerebatan-Zisterne, in der bis zu 80.000 Kubikmeter Wasser gespeichert wurden. Wer heute die Treppen zur Zisterne hinuntersteigt, wähnt sich in einem verwunschenen Palast – 336 Säulen ragen aus dem Wasser auf, die Lichtinszenierung trägt ihren Teil zu den magischen Momenten einer Istanbul-Reise bei.
Hagia Sophia
Ungefähr gleichzeitig entstand die Kirche der Heiligen Weisheit – Hagia Sophia. Von der Eröffnung nach 5-jährigen Bauarbeiten haben sich begeisterte Berichte zur schier überirdischen Schönheit des Baus erhalten: „Und als im ersten Aufglühen das Morgenlicht mit Rosenarmen von Bogen zu Bogen sprang und die Schatten des Dunkels vertrieb, stimmten Fürsten und das Volk in einer einzigen Stimme mit den Chören an zum Lobgebet. Und als sie die heiligen Hallen betreten hatten, schienen die mächtigen Bögen im Himmel zu ruhen …“ Aufgrund von Erdbeben in den zwei Jahrzehnten nach der Eröffnung musste die Kuppel zwei Mal neu errichtet werden – dann blieb die Kirche für knapp 1100 Jahre die größte und eindrucksvollste Kirche der Christenheit. Einzigartige Mosaike schmücken die Hagia Sophia – darunter das Stiftermosaik mit Kaiser Justinian, der die Kirche der Muttergottes übergibt, und Kaiser Konstantin, der die Stadt überreicht; kostbare Marmorverkleidungen und -böden beeindrucken genauso wie wunderbare Lampen im Gotteshaus, das später zur Moschee, dann unter Atatürk zum Museum, jetzt unter Erdoğan wieder zur Moschee wurde. Das bedeutendste Bauwerk der Spätantike diente zur Repräsentation der byzantinischen Macht, als Krönungskirche, Zentrum der Orthodoxie und „Nabel der Welt“. Ein „Korsett“ an Stützmauern gibt dem knapp 1500 Jahre alten Kirchenbau bis heute Halt.
Dunkle Zeiten
Das „dunkle“ Mittelalter brach im Jahr 1204 in Konstantinopel mit der Eroberung durch die Kreuzfahrerheere an – sie plünderten und brandschatzten, mordeten und vergewaltigten, zerstörten Kirchen und Klöster sowie den alten Galata-Turm und stahlen kostbarste Kulturgüter – Sie kennen doch alle die berühmten Pferde von San Marco in Venedig, sie wurden aus dem Hippodrom der Stadt Konstantinopel geraubt … Das byzantinische Reich wurde zwischen Venedig und den Anführern des Kreuzzuges in zahlreiche kleine Königreiche aufgeteilt. Erst 1261 wurde Konstantinopel zurückerobert – ein kurzes künstlerisch-hoch-kreatives Zeitalter begann im 14. Jh., als u.a. das Chora-Kloster mit wunderbarsten Fresken ausgestattet wurde, die der Kunst Italiens um nichts nachstand.
Istanbul
In der Umgebung des geschwächten byzantinischen Reiches erstarkten in der Zwischenzeit die Völker der Rum-Seldschuken und der Osmanen. 1453 nutzte Sultan Mehmed II. die einzige wirkliche Schwachstelle des „unbezwingbaren“ Konstantinopel – doppelte und dreifache Mauerwälle schützten seit der Spätantike die Stadt zwischen Goldenem Horn, Bosporus und Marmara-Meer. In den kleinen ungeschützten Bereich am Ende des Goldenen Horns ließ Sultan Mehmed II. über die umgebenden Hügel 30 Galeeren schleppen, die geschützt vom Kanonendonner der Osmanen in das Goldene Horn glitten. Am 29. Mai 1453 war alles besiegelt – Konstantinopel war gefallen, Mehmed rief die Stadt als seinen neuen Wohnsitz unter dem Namen Istanbul aus.
Diesem moslemischen Istanbul begegnen wir in einer Fülle prachtvollster Bauten, u.a. dem Topkapı-Palast, dem weitläufigen Herrschaftssitz der osmanischen Sultane, der uns mit Gärten, herrlichen Museen, fantastischen Juwelen in der Schatzkammer (wer erinnert sich nicht an den Film Topkapi mit Peter Ustinov …) und wunderbarsten Fayencen im Harem umfängt. Bildschöne Paradiesgärten begegnen uns hier (neben Erinnerungen an Mozarts „Entführung aus dem Serail“) – İznik war die Heimatstadt dieser unglaublichen blau bis türkis schimmernden Keramik. Gut 20.000 dieser einzigartigen Fayencen schmücken auch die Sultan Ahmed oder Blaue Moschee, verziert mit Tulpen, verschiedensten anderen Blüten und Zypressen … Der herausragende Schmuck der Moschee sind allerdings die sechs Minarette, die sie über alle anderen Moscheen der Stadt „erhebt“. Die architektonisch ausgewogenste und eindrucksvollste Moschee der Stadt, geschaffen knapp 60 Jahre vor der Blauen Moschee vom begnadeten Baumeister Sinan, liegt nur 2 km entfernt – jenseits des Großen Basars und der Universität. Der gewaltige Bau nimmt einen der sieben Hügel der Stadt ein (wie könnte das oströmische Neu-Rom ohne 7 Hügel auskommen?) – die Süleymaniye-Moschee ist ein Teil des riesigen Külliye-Komplexes, zu dem ein Krankenhaus, eine Armenküche, ein Friedhof, Schulen, Bibliotheken, ein Observatorium und ein öffentliches Bad gehörte.
Im Basar
Bei so überbordender Geschichte und Kunst braucht man ein wenig Abwechslung, die wir im Gewürzbasar und im Großen Basar finden, bei den vielen türkischen Köstlichkeiten im Pudding Shop, in den beliebten Restaurants unter der Galata-Brücke oder in den Kaffeehäusern am Bosporus. Wer einen der ältesten Teile des Großen Basars kennenlernen will, sollte sich zum Markt der Buchantiquare aufmachen, die hier schon seit byzantinischer Zeit angesiedelt sind. Die Welt der Bücher bzw. eines besonderen Buches erleben Sie im „Museum der Unschuld“, das der Istanbuler Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk parallel zu seinem gleichnamigen Buch eingerichtet hat. Oder auf dem Bosporus – vorbei an lieblich grünen Hängen und schönen Villen – bis zur Rumeli-Festung fahren. Sie lieben Museen? Dann sollten Sie wenigstens diesen beiden Empfehlungen folgen: Besuch des Archäologischen Museums und des preisgekrönten modernen Museumsbaus „İstanbul Modern“ von Renzo Piano.
Viele Tipps und Ratschläge hätte ich noch, der beste ist allerdings, den kurzen Flug nach Istanbul anzutreten und mit unseren Reiseleiter*innen in die Wunder der Stadt einzutauchen!