Als Österreicher verbindet man mit den Färöern vor allem ein Ereignis und ein Datum – das EM-Qualifikationsspiel vom 12. September 1990. Es traten an: Die Österreicher, mit einer gewissen Überheblichkeit, im Vorfeld bereits über die Höhe des Sieges spekulierend. Und die Färinger, die nur zwei Jahre zuvor FIFA-Mitglied geworden waren, die nun ihr erstes offizielles Länderspiel zu bestreiten hatten. Es kam, wie es kommen musste: Torwart Jens Knudsen, mit Pudelmütze auf dem Kopf, wehrte sämtliche Schüsse der Österreicher ab und die Färöer gewannen letztlich sensationell mit 1:0. Knudsen wurde zum Nationalhelden, nach dem Spiel frenetisch gefeiert von rund 20.000 Färingern, was der Hälfte der damaligen Landesbevölkerung entsprach. Es heißt, der Torwart mache noch heute gerne Selfies mit Touristen aus Österreich. Augenzwinkernd, versteht sich.
Dass die Färöer eine der faszinierendsten, landschaftlich außergewöhnlichsten Inselgruppen der Welt sind, ist hierzulande weit weniger bekannt. Dabei hatte National Geographic bereits 2007 in einer Umfrage ermittelt, welche Inseln man zumindest einmal im Leben besucht haben sollte. 111 Optionen gab es zur Auswahl, die Färöer belegten den ersten Platz.
Von Kopenhagen kommend, hat man nach der Ankunft auf der färingischen Insel Vágar prompt den Eindruck, in einem Märchenland zu sein. Ist man eben noch auf einem Boot durch den bunten, lieblichen Nyhavn in der Kopenhagener Altstadt geschippert, bieten die Färöer ein ganz anderes Bild: über steile Klippen ergießen sich Wasserfälle ins Meer, allerorts rollen Bäche von grünen Berghängen in die Täler, Papageitaucher beherrschen akrobatisch die Lüfte, alles wird umfasst vom rauschenden Atlantik.
18 Inseln
Die Färöer, auf halbem Wege zwischen Norwegen und Island gelegen, bestehen aus achtzehn Inseln mit rund 1.300 Kilometern Küstenlinie, sind aber kaum bevölkert. Die Hauptstadt Tórshavn, besiedelt seit der Wikingerzeit, zählt nur wenige tausend Einwohner. Der Premierminister wohnt hier im alten Stadtteil Tinganes, in einem der bescheidenen, pittoresken roten Holzhäuser, mitten unter den Normalsterblichen. Das macht die Färinger sympathisch: Man kennt sich, grüßt sich auf der Straße, kommt gut miteinander aus. Die Kriminalitätsrate pendelt um die Nulllinie, statt eines Gefängnisses gibt es eine Art besseren Aufbewahrungsraum.
Zur Nationalfeier, dem zweitägigen Ólavsfest, strömen Bewohner aller Inseln ins liebevoll Capital genannte Tórshavn, tragen Tracht, tanzen den traditionellen Kettentanz, singen uralte, teils mündlich überlieferte Lieder, speisen gemeinsam. Etwa Walfleisch, das ungewohnt intensiv, aber spannend schmeckt. Oder Lachs, der auf den Färöern von einer unvergleichlichen Qualität ist und in allen erdenklichen Varianten kredenzt wird. Generell lässt einen das kulinarische Niveau staunend zurück: Viele Gerichte sind optisch und geschmacklich so ansprechend, dass man meinen könnte, man säße in einem Haubenlokal in einer Großstadt.
Baumlos
Der Flughafen auf Vágar liegt direkt neben dem größten See der Färöer, dem Leitisvatn, der einst als Wasserlandebahn diente, bevor jene aus Asphalt angelegt wurde. Von hier sind es nur wenige Fahrtminuten nach Gásadalur. Sofort fällt auf: Die Färöer sind baumlos. Die dünne Erdschicht und die stolzen Winde lassen keinen höheren Bewuchs zu – das lässt die majestätischen Berge noch markanter erscheinen.
Gásadalur war lange Zeit völlig abgeschieden, durch einen hohen Berg von der Außenwelt getrennt. Heute führt ein kleiner Tunnel zum Plateau, auf dem sich der Ort befindet. Von hier stürzt der imposante Múlafossur-Wasserfall mehrere Dutzend Meter tief ins Meer. Vor der Küste ragen eindrucksvolle Felsformationen aus der endlosen See auf. Man muss Acht geben, nicht gleich hier den Kamera-Akku leer zu knipsen, so fantastisch ist die Szenerie.
Unweit liegt das malerische Dorf Bøur mit seinen landestypischen grasgedeckten Häuschen. Mitunter sieht man Schafe auf den Dächern, die an den Halmen knabbern. Die robusten, Wolle spendenden Tiere sind die heimlichen Könige der Färöer, viel zahlreicher als ihre menschlichen Mitbewohner, zudem Namensgeber der Inselgruppe – übersetzt bedeutet Färöer „Schafinseln“.
Keine Hektik
Überhaupt sind die Dörfer idyllisch – Hektik kennt man nicht, das Leben ist entschleunigt, beschaulich. „Kanska!“ – „vielleicht!“ – ist auf den Färöern längst zu einer Lebensphilosophie geworden. Kern jeder Ansiedlung ist stets die Holzkirche, doch haben alle Ortschaften ihren eigenen Charakter: Gjógv, mit seinem in einer Felsspalte gelegenen Naturhafen, Saksun, wo man noch traditionelle Häuser aus Stein besichtigen kann, Viðareiði, das einmalige Blicke auf die Steilklippen der Nordinseln bietet, Tjørnuvík, wo man über schwarzen Sandstrand spaziert.
War es vor wenigen Jahrzehnten noch recht umständlich, von Insel zu Insel zu gelangen, haben umfassende Infrastrukturprojekte der jüngeren Vergangenheit die Reisezeiten drastisch verkürzt. Die Hauptinseln sind mittlerweile durch beeindruckende Unterseetunnels verbunden – jener zwischen Streymoy und Eysturoy hat sogar seinen eigenen Kreisverkehr.
Zu den gigantischen Vestmanna-Klippen gelangt man trotzdem noch mit einem klassischen Ausflugsboot: Fast siebenhundert Meter ragen die Steilwände aus dem Meer. Tausende Vögel, die in tiefen Einschnitten im Fels, hoch über den Köpfen nisten und flattern, machen die Exkursion zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Auch zu Fuß lassen sich die Färöer erkunden: Die wohl schönste Wanderung führt in knapp zwei Stunden zum Kallur-Leuchtturm auf der Insel Trøllanes. Belohnt wird man mit einem Panorama, das mit Worten kaum zu beschreiben ist. Besonders hier, umspielt von den Naturelementen, spürt man, wie wunderbar unberührt diese Inseln noch immer sind. Und dass man viel früher hierher hätte reisen sollen, in dieses kleine Paradies inmitten des Atlantiks.