„Das einzig Gute, das vom Osten kommt, ist die Sonne“, lautet ein altes portugiesisches Sprichwort.
Seine geografische Lage prägt die Identität dieses weit im Südwesten Europas gelegenen Landes. Dabei betrachteten sich die Portugiesen nicht immer als Teil Europas, weil Spanien (im Osten) gewissermaßen eine unüberwindbare Barriere bildete, die das Land vom Rest des Kontinents isolierte. Den Portugiesen blieb also nur der Weg übers Meer, wollte man sich verändern, vergrößern, entwickeln. So wurde das Land im 15. Jahrhundert zum Pionier der europäischen Expansion nach Übersee und verstand diese Rolle als eine Art „nationale Mission“, aus der es erst allmählich ausbricht. O século do ouro, das „goldene Jahrhundert“ Portugals, als die Schiffe des kleinen Königreiches die Weltmeere befuhren und wichtige Handelsströme kontrollierten, liegt aber weit zurück.
Es beginnt im Porto
Diese besondere Lage und Geschichte haben Portugal zu einem eher „unbekannten Land“ in Europa gemacht. Aus diesem Grund sind Besucher aus Österreich immer erstaunt, wie wenig sie über Portugaleigentlich wissen. Unsere Reise startet in Porto, der Metropole im Norden des Landes. Die Lage der Stadt ist typisch für Portugal: an einem großen Fluss (Douro) gelegen, der unweit von hier in den Atlantik mündet. Der Bezug zur Schifffahrt und zum Seehandel ist allgegenwärtig. Portos Stadtbild ist von schwerer Granitarchitektur geprägt, die im Sonnenschein glänzt, bei Nebel und Regen düster wirkt. Elegant sind die Eisenbrücken über den Douro-Fluss, die allesamt aus der Schule von Gustave Eiffel stammen. Die zahlreichen Fliesenfassaden (Azulejos) geben dem Stadtbild einen willkommenen Farbtupfer. Nördlich von Porto liegt die „Wiege Portugals“: in den Städten Braga (erste Bischofsstadt) und Guimarães (erste Residenzstadt) entstand das Land im politischen Sinn, als Grafschaft und später als Königreich. Im Grenzsaum zu Galicia liegt Portugals einziger Nationalpark, eine urige und dünn besiedelte Granitkegellandschaft, die an manchen Stellen aufgrund der mühevoll angelegten Terrassen an Tibet erinnert.
Weltkulturerbe
Zwischen Porto und Lissabon liegt Portugals „Kulturgürtel“. Die Stadt Coimbra beherbergt eine der ältesten Universitäten Westeuropas und war im Mittelalter Residenzstadt der Könige. Kommt man vom Norden, trifft man hier erstmals auf manuelinische Architektur und staunt zurecht darüber. Sie ist eine Symbiose aus Baustil, Nationalstolz, Religiosität und Mentalität. Gerne spricht man von einer unverwechselbaren Atmosphäre und Kultur in Portugal, die durch die extravaganten Bauten in der Manuelinik sich ausdrückt. Südlich von Coimbra liegen die großen Abteien Portugals: Tomar (Christusorden), Alcobaça (Zisterzienser), Batalha (Dominikaner), Mafra (Augustiner) und Belém (Hieronymiten) zählen jeweils zu den größten Klöstern ihrer Orden auf der Iberischen Halbinsel. Allesamt sind sie nicht mehr in Funktion, aber herausragende Kunstwerke (UNESCO Weltkulturerbe) ihrer Epochen.
Die Hauptstadt
Lissabon schließlich, die portugiesische Hauptstadt hat sich für viele Städtetouristen zu einem Sehnsuchtsort entwickelt. Die Lage der „cidade linda“ am Tejo-Fluss oder doch am Meer (!?) ist außergewöhnlich. Jedes Viertel der Altstadt verfügt über eine besondere Atmosphäre: Gerüche von gegrillten Sardinen durchströmen an Sonntagen die Gassen der Alfama, das Gequietsche der alten Straßenbahnen klingt für die Bewohner des Bairro Alto vertraut und der Reiz der Ausblicke von den Miradouros („goldenen Blicken“) über die Hügel der Stadt und ihre alten Häuser sucht seinesgleichen.
Im Alentejo
Die Landschaft jenseits des Tejo, der Alentejo ist der mittlere Süden Portugals. Hier liegt der Montado, Portugals vielleicht reizvollste Landschaft: ausgedehnte Kork- und Steineichenwälder, ein „grünes Meer“, das zwar von Menschenhand geschaffen wurde, aber doch behutsam die Pflanzen- und Tierwelt mit Schatten umhüllt. Die Korkeiche ist Portugals Nationalbaum und seine weltweit größten Bestände liegen hier. Der Alentejo ist abgesehen davon die Kornkammer des Landes, dünn besiedelt, jedoch altes Kulturland mit urigen Dörfern und sehr viel Eigensinn. Die riesigen Quintas (Latifundien), auf denen Landarbeiter für Hungerlohn schuften mussten, so wie der Literaturnobelpreisträger José Saramago (selbst ein Landarbeiterkind) es beschreibt, gibt es noch, aber sie arbeiten heute mit anderen Methoden.
Die Algarve
Der äußerste Süden des Landes heißt Algarve. Davon haben die meisten Besucher Portugals schon einmal gehört. Berühmt sind die Postkartenmotive der Sandsteinküste bei Lagos oder Benagil: eine bizarre Felslandschaft, die durch Wellenerosion geschaffen wurde, durchbrochen von kleinen verträumten und schwer zugänglichen Stränden, eine vermeintliche Südsee-Traumlandschaft am Südwestrand Europas. Unsere Reise durch den Südwesten Europas findet am Cabo de São Vicente ihren Abschluss. Von der Terrasse des Leuchtturms schweift der Blick in die Weiten des Atlantischen Ozeans. Laut dem antiken Geograph Strabon (gest. 23 n.Chr.) lag hier das Ende der Welt, wo die Götter sich zur Nachtruhe begaben. Zischend versinkt die Sonne demnach hier im Meer und der Mond soll nirgends größer zu sehen sein als genau hier. Der Leuchtturm am Kap steht am Platz der vermeintlichen Begräbnisstätte des Heiligen Vinzenz von Zaragossa (gest. um 304 n.Chr.), eines frühchristlichen Märtyrers, der auch als Heiliger der Seefahrt verehrt wird, denkbar passend für Portugal.