Der Berg Ararat, der in Armenien auch Massis genannt wird, d. h. ‘Die Mutter der Welt’, ragt hoch über die anatolische Hochebene empor. Mit seinen 5.165 Metern finden wir ihn zwar nicht unter den höchsten Bergen der Welt, wohl aber gehört er zu den heiligsten und berühmtesten. Dieses Schneejuwel ist seit urdenklichen Zeiten eine Verheißung und eine Mahnung für drei Weltreligionen, die den Neubeginn ihrer Geschlechter nach der Großen Flut ansetzen.
Der Name des Berges und das Bild von Noahs Arche, die sich auf dem Gebirge Ararat nach dem Zurückweichen der Flut niederließ, haben uns schon in unserer kindlichen Phantasie beschäftigt. Der Berg Ararat, der Name leitet sich ab vom Wort Urartu, der alten Bezeichnung für das urartäische Reich, ist das ‘Wahrzeichen’ von Ostanatolien. Dieser möglicherweise erloschene Vulkan - der letzte Ausbruch im Jahre 1840 zerstörte ein Kloster und ein Dorf und hinterließ eine 260 m tiefe Schlucht an dieser Stelle - gehört zu den schönsten Bergen dieser Erde.
Er ragt so unmittelbar von einer 1000 m hoch gelegenen Ebene bis in eine Höhe von über 4000 m empor und ist deswegen so eindrucksvoll und gewaltig, weil er frei dasteht; kein Vorgebirge rückt ihm nahe und beeinträchtigt sein großartiges Erscheinungsbild. Wenn sich die Wolken um den Gipfel verflüchtigen und den Blick auf den Bergriesen mit seiner eis- und schneebedeckten Kuppe freigeben, ist man von der unmittelbaren Nähe dieses Berges so überwältigt, dass man an sein Geheimnis, an seine Legende glauben kann. Und dieses Geheimnis ist für viele gläubige Menschen die berühmteste Legende der Menschheit: der Bibelbericht von der Landung der Arche auf dem Gebirge Ararat.
Voraussetzungen für eine Besteigung
Die selbständige Erkundung des Ararat ist mit vielen Gefahren verbunden, sodass der türkische Name des Berges ‘Büyük Agri Daghi’ - Berg der Schmerzen - sicher gerechtfertigt ist. Mit Kneissl Touristik wird dieser Berg allerdings ‘schmerzfrei’ erstiegen. Für einen Alpinisten ist die Besteigung dieses Berges technisch gesehen überhaupt keine Herausforderung. Es ist auch mit Ausnahme von Pickel und Steigeisen ansonsten keine Spezialausrüstung erforderlich. Es werden daher keine besonderen bergsteigerischen Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt. Der Berg kann von jedermann bestiegen werden, der sich in ausgezeichneter körperlicher Verfassung befindet, der über die nötige Ausdauer, Willens- und Entschlusskraft verfügt, auch in Höhen herumzusteigen, wo die Luft schon dünner wird, sodaß jeder Schritt vor allem in der Gipfelregion schon recht anstrengend ist, weil auch das Atmen schon schwerfällt und keuchend klingt. Dieser schnee- und eisbedeckte, isoliert dastehende Vulkankegel war seit dem 19. Jh. Grenzberg. Die türkisch-russische Grenzlinie verlief sogar einmal direkt über den Gipfel des Großen Ararat. Heute bildet der Fluss Aras im Norden am Fuße des Berges die Grenze zu Aserbaidschan und Armenien. Die Erstbesteigung wurde vom deutschen Professor Dr. Fredrick Parrot im Oktober des Jahres 1829 durchgeführt. Nach ihm ist auch einer der drei mächtigen Gletscher benannt. Da der Ararat in einem militärischen Sperrgebiet liegt, müssen die türkischen Behörden eine Besteigungserlaubnis geben. Ein ortskundiger Bergführer ermöglicht der Besteigergruppe ein sicheres Gipfelerlebnis. Dieses herrliche, fast unbeschreibliche Gefühl, aus einer Höhe von 5.165 m über die spärlichen Wolken hindurch rundum weit ins Land zu blicken, ist erst wieder seit dem Jahre 1982 möglich. Diese Freigabe betrifft allerdings nur die Südwestseite des Berges, da die Nordosthänge zu nahe an der armenischen Grenze und die Südosthänge zu nahe dem Iran liegen.
Besteigung des Gipfels
Beginnen wir in Dogubayazit, dem Städtchen, von dem aus unser Bergabenteuer beginnen soll. Auf der Ladefläche eines offenen LKW fahren wir wenige Kilometer auf der Fernstraße zur iranischen Grenze, zweigen dann von der Asphaltstraße ab und fahren auf einer Pistenstraße durch ein Dorf. Jenseits der Ebene erhebt sich vor uns der Ararat. Das Dorf hinter uns lassend steigt nun die Piste allmählich an, und wir müssen uns langsam ans Hin- und Hergeschütteltwerden auf unserer Ladefläche gewöhnen. Wir durchqueren das weite Grasland, das den ‘Bergtürken’ (Kurden) von der türkischen Regierung als Sommerweidegebiet zur Verfügung gestellt wird. Immer wieder ziehen Schafherden mit ihren Hirten und den wachsamen Hirtenhunden vorbei. Ein wogendes Meer von Federgras glänzt silbrig in der Sonne. Das leuchtende Gelb der unzähligen Königskerzenblüten bildet den Kontrast zum blauen Himmel über dem Ararat. Rosa- bis weinrote Blütenteppiche der Spreublumen überziehen die Almböden. Blumen, die bei uns zu Hause nur mehr in geringer Anzahl in vollkommen geschützten Gebieten absoluten Schutzstatus genießen müssen, um vor dem Aussterben gerettet zu werden, wachsen hier in einer solchen Menge und Üppigkeit, dass ein Wildblumenliebhaber am Anblick alleine seine reinste Freude hat. Immer steiler windet sich der Pistenpfad in die Höhe, vorbei am Dorf Eli und noch ein gutes Stück darüber hinaus, bis in einer Höhe von etwa 2.900 m unser luftiger und rumpelnder Höhentransport mit dem Lastauto zu Ende geht. Geduldige Pferde, trittsicher und verlässlich, stehen für den weiteren Transport unseres schweren Gepäcks bereit. Die letzten 300 m zum Basislager belasten uns nicht mehr, tragen wir doch nur unsere Fotoausrüstung, Wasser und persönlichen Dinge mit uns. Wir beziehen die Zelte im Basislager und sind in Gedanken schon auf dem Gipfel. Das nahegelegene türkische Höhenmilitärlager, ist auch zu unserem Schutz, für unsere Sicherheit da. Am nächsten Tag soll die Zeit für die Höhenanpassung genutzt werden. Wir steigen unserem Hochlager in 4.200 m entgegen. Schwarze Geröllhalden wechseln mit gleißenden Schneezungen. Unsere kleinwüchsigen, aus einer lokalen Zucht stammenden Pferde schleppen geduldig unsere Lasten zum Hochlager hinauf. Nach gut 4 Stunden Aufstieg müssen wir uns ein ebenes Plätzchen für unsere Kuppelzelte in dieser luftigen Höhe suchen. Und das ist in diesem Felsblockgewirr nicht ganz einfach. Müde, aber froh, einen Ausblick vom Hochlager zu haben, der sich viele Kilometer weit bis zur iranischen Grenze erstreckt, bereiten wir uns auf die kurze Nacht vor. Um 2 Uhr werden wir vom Lagerpersonal zum Frühstück geweckt. Es gibt Suppe, Kekse und Tee. Wir bereiten uns auf den Aufstieg vor. Im Scheine unserer Stirnlampen packen wir unsere persönlichen Sachen in den Rucksack, vergessen nicht auf Reservekleidung, auf unsere gefüllten Teeflaschen und auf die Fotoausrüstung. Wir steigen einen ziemlich steilen Pfad serpentinenartig in die Höhe und kommen zur Schneegrenze, die sich im Sommer in 4.500 bis 4.600 m Höhe befindet.
Die Schneeverhältnisse sind gut - beinhart gefrorener Firnschnee - so wechseln wir schon früher aufs Schneefeld. Dazu legen wir unsere Steigeisen an und steigen sehr vorsichtig höher. Unser Bergführer kennt die Route ganz genau. Er weiß um die Gletscherspalten und kennt die Umgehungsmöglichkeit, wenn sie notwendig ist. In der Morgendämmerung taucht unter uns der Kleine Ararat (3.925 m) auf und bald gelangen wir auf einen Sattel und betreten die kalte eisige Welt des Gipfelgletschers. Die letzten 100 Höhenmeter scheinen nicht enden zu wollen. Aber dann stehen wir fast unvermutet auf dem Gipfel. Eine Überfülle von Licht, das Gefühl, auf dem Gipfel dieses biblischen Berges zu stehen und die grandiose Aussicht lässt alle Strapazen vergessen. Tief unter uns glänzt im Sonnenlicht die Stadt Jerevan. Nach Norden blickend erahnen wir im Dunst des Sommertages den kaukasischen Gebirgszug mit dem Elbrus, seinem höchsten Berg. Im Süden, ganz nahe der iranischen Grenze, erkennen wir die Akyaylaberge - auch dort vermutet man die Arche - und den Tendürük Daghi, ein riesiges, erst in erdgeschichtlich jüngerer Zeit entstandenes Gebirgsmassiv vulkanischen Ursprungs. Wir steigen ‘höhentrunken’ wieder auf derselben Route am Hochlager vorbei ins Basislager ab. Das war ein Tag: Von 4.200 m auf 5.165 m, und dann 2.000 m Abstieg! Der Schlafsack und die Matte im Zelt werden zum reinsten Himmelbett! Wenn wir nächsten Tag das Basislager verlassen, die Almböden des Berges hinunterwandern und zurückblicken, so fragt sich so mancher von uns: ‘Und da oben waren wir?’ Und kann es noch immer nicht recht glauben. Smaragdeidechsen huschen vor uns in Astragalusbüsche, Hirtenkinder laufen herbei und freuen sich, und unser Lastauto wartet schon, um uns wieder in die ‘Zivilisation’ zurückzubringen. Wir freuen uns alle auf eine heiße Dusche, auf ein gutes Essen und ein Hotelbett am Ausgangspunkt unserer unvergesslichen fünftägigen Trekkingtour auf den Ararat.