„Vier Tage und vier Nächte rollten wir auf den Wogen des atlantischen Meeres herum, von Dampf, Hitze und Kohlenstaub dem Spleen verfallen; endlich am 4. Juli, als ich bei Tagesanbruch auf das Verdeck trat, war ein Zauber vollbracht worden; vor mir lag im herrlichsten goldenen Scheine der tropischen Sonne auf dem Blau der schimmernden Fluten, von duftiger reiner Luft umflossen, ein mächtiges Eiland mit dunkelviolett kolorierten Basalthöhen und reich an saftigem frischen Lenzesgrün, ein Bild von ergreifender Wirkung, das die gehobene Seele mit Jauchzen erfüllte; es war eine himmlische Reinheit in dem Gemälde, und doch war es von Düften gesättigt; das Licht war übernatürlich klar, als sähe die Seele durch die vergeistigten Augen hinein; die Luft durchströmte mit Wonne den freieren Busen, man ahnte die Nähe eines Paradieses, einer neuen Welt. Ich bin ziemlich in der Welt herumgekommen, habe aber nie etwas Ähnliches gefunden; ich habe die Alpenrose auf den glühenden Gletschern gebrochen, bin durch Smyrnas Zypressenhaine auf kühnem Araber gejagt, pflückte mir den rosigen Oleander an Lepantos schäumendem Golfe, wiegte mich auf den Azurwellen der Grotte von Capri, raubte die Rose aus Alhambras Zaubergärten; hier aber fand ich alle diese Schätze der Natur vereinigt und dabei noch etwas, mir Unerklärliches, was eben Madeira für mich zum irdischen Paradiese macht; mag’s die reine kristallene Luft sein, in der das Atmen ein Einschlürfen der Wonne ist, mag’s die tausendfältige Zauberfülle der Blumen, ihr alles durchdringender Duft oder die immerdauernde Lenzesfrische sein, sie selbst im Juli unsern Mai übertrifft, oder mag es das ewiggleiche Klima sein, welches Tag und Nacht immer frisch und erhebend, immer mild und schmeichelnd ist, ich weiß es nicht; aber das weiß ich, dass ich hier doppelt so fröhlich lebte und im ewigen Entzücken schwelgte und es für ein paradiesisches, friedliches Glück halten würde, hier einen Landsitz zu besitzen. Die Vegetation der ganzen weiten Welt ist in Madeira üppig vertreten; des Nordens frischer Eichenwald, sein buschiges Farnkraut, sein wohlriechendes Jelängerjelieber; Italiens Kastanien und Orangen, Chinas prunkende Kamelien, Arabiens Kaffee, den ersten, den ich in Massen einernten sah, Amerikas köstliche Ananas, ebenfalls die ersten, die ich unter freiem Himmel erblickte, seine immer fruchtgeladenen Bananen, hundert andere seltsame, glühende und blühende Pflanzen, die man bei uns nur in den Glashäusern der Paläste im verkümmerten Zustande anstaunt, sind hier heimisch und dazu noch köstlicher Weinbau. Und deswegen behaupte ich, dass unser Herrgott, als er sah, wie die Menschen sich bemühten, in Gärten, die sie botanische nannten, die Vegetation des Erdbodens zu vereinen, Madeira erfand, um der Welt, die in sein Handwerk pfuschen wollte, zu zeigen, dass der alte Schöpfer es besser verstünde als sie; und seitdem ist Madeira unseres Herrgotts botanischer Garten, dem fürwahr keiner gleichkommt.“
Anonymer Bericht von 1856
Dieser Bericht zeigt ganz gut den Zauber, der Madeira auch heute noch auszeichnet. Die unglaubliche Blütenpracht auf dieser subtropischen Insel des ewigen Frühlings, 1000 km von Lissabon und 600 km von der marokkanischen Küste entfernt, fasziniert jeden Besucher. Vor allem sind es die bunten Strelitzien und der blaue Natternkopf, die zu Symbolen der Insel wurden. Nicht überraschend kommt es da, dass das Blumenfest im April eines der wichtigsten Feste der Insel ist. Deshalb finden es viele Besucher erstaunlich, dass zu den endemischen Pflanzen und den von den frühen Siedlern eingeführten Nutzpflanzen erst im 19. Jahrhundert exotische Pflanzen aus aller Welt hinzu kamen, die meist von aus England stammenden Kaufleuten auf die Insel gebracht wurden. Heute findet man Pflanzen aus Südafrika, Südamerika, China und Australien auf Madeira. Besonders der australische Blaugummibaum, eine Eukalyptusart, prägt in vielen höher gelegenen Regionen das Landschaftsbild. Die endemische Flora, allen voran die Laurazeen- oder Lorbeerwälder haben unter dieser Entwicklung leider sehr stark gelitten. Man geht davon aus, dass schon die Araber die Insel kannten, jedenfalls deutet ein arabisch klingender Name auf einer italienischen Seekarte von 1356 darauf hin. Endgültig ‚entdeckt’ wurde die Insel 1418 vom portugiesischen Seefahrer Zarco. Es war das Zeitalter von Heinrich dem Seefahrer, der Portugals Weltreich begründete. Er trieb die Wissenschaft voran, versammelte die besten Seeleute seiner Zeit und diese konnten einen neuen Schiffstyp entwickeln, der für die Entdeckungsreisen des folgenden Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung wurde, die Karavelle. Unter Heinrichs Regierungszeit wurde Madeira besiedelt, außerdem entdeckten die Portugiesen die Azoren und die Kapverden und wagten ständig weitere Entdeckungsreisen die afrikanische Küste entlang – auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien. Doch zurück nach Madeira. Schon unmittelbar nach der Entdeckung durch Zarco betrieb Portugal eine gezielte Besiedlung der Insel durch Bergbauern aus dem Norden Portugals. In mühevoller Kleinarbeit wurden tausende von Terrassenfeldern auf der zerklüfteten Insel angelegt. Das erste wichtige Produkt der madeirensischen Landwirtschaft war der Anbau von Zuckerrohr, was Madeira in den folgenden Jahrhunderten Wohlstand brachte. Das ‚weiße Gold’ musste sonst in diesen Jahren aus weit entfernten Kolonien importiert werden. Ein Problem, mit dem die ersten Siedlern konfrontiert waren, stellte die ungleichmäßige Verteilung der Wasservorräte dar. Die Lösung die hier gefunden werden konnte erschein genial: Aus dem gebirgigen Norden, wo ein Großteil der Niederschläge fällt, wurden in oft schwindelerregender Höhe und durch Tunnels Bewässerungskanäle angelegt, die Wasser in die trockeneren Gebiete im Süden der Insel bringen sollten. Mehrere 1000 km dieser Levadas gibt es quer über die Insel verteilt, und diese bieten heute die besten Möglichkeiten, um Madeira zu Fuß ohne große körperliche Anstrengung intensiv zu erleben. Wandern ist sicherlich eine der schönsten Beschäftigungen für Besucher. Zum einen gibt es eben die berühmten Levadas, die an praktisch allen Ecken der Insel zu finden sind und von denen sich oftmals atemberaubende Ausblicke bieten. Zum anderen sind es aber auch die höchsten Gipfel der vulkanisch entstandenen Insel, die zum Bergsteigen einladen. Der Pico Ruivo erreicht 1861 m und ist der höchste Berg, dazu kommen mehrere weitere Gipfel über 1600 m und die Hochebene Paul da Serra, die sich auf einer Höhe von etwa 1500 m befindet und die einzige größere ebene Fläche der Insel bietet. Es gab einst Überlegungen, dort einen Flughafen zu bauen, doch der häufige Nebel verhinderte dies gottlob. Womit wir schon beim ‚ersten und letzten Eindruck’ vieler Besucher wären – dem Flughafen von Santa Cruz, etwa 15 min. östlich von Funchal. Lange Jahre war der Landeanflug auf Madeira unter Piloten sehr gefürchtet, da aufgrund der Topographie nur eine sehr kurze Landebahn vorhanden war. 1994 wurde die einer technischen Meisterleistung entsprechende Erweiterung der Landebahn eröffnet: auf Stelzen ins Meer gebaut und mit einer Länge von rund 2,4 km ist sie heute für alle Flugzeugtypen zugelassen. Doch noch immer kann bei starken Winden (die hier recht häufig sind) der Landeanflug zur Lotterie werden und nicht selten sind Piloten gezwungen auf die benachbarte Insel Porto Santo auszuweichen.